„So war sie eben, die Liese“
Olympia 1968. Vor 50 Jahren gewann Liese Prokop in Mexiko Silber im Fünfkampf, für ihren Trainer und Ehemann, Gunnar, blieben es „unvergessliche Momente“. Emotionen im Rückspiegel.
Die Stimme am Telefon ist leise, man hört ein stetes Keuchen. „Hallo? A Momenterl“, schallt es aber plötzlich aus dem Hörer. „Ich bin grad beim Mountainbiken.“Gunnar Prokop, 78, ist in seinem Element. Sport war schon immer sein Leben. Ob als Leichtathletiktrainer, Schulwart des Sportzentrums Südstadt oder HandballZampano der Hypo-Damen. Halbe Sachen machte er nie, auch polarisierte er mit Aussagen oder Rempeleien. Dass er für den Erfolg seiner Sportler stets alles getan hat, ist unbestritten.
Auch für „meine Liese“, sagt er stolz, hatte er alles unternommen. Prokop sagt es ergriffen, sie geht ihm auch fast zwölf Jahre nach ihrem Tod tief unter die Haut. Und vor allem dieser Tage sind die Erinnerungen ganz frisch, „wie gestern, eigentlich ein Wahnsinn“. Denn gestern, also am 15. und 16. Oktober 1968 und damit vor 50 Jahren, gewann Liese Prokop Silber im Fünfkampf (80 Meter Hürden, Kugelstoßen, Hochsprung, Weitsprung, 200 Meter) bei den Sommerspielen in Mexiko City.
Olympia im Oktober 1968 blieb weltweit ob des „Black Power Salute“-Protests der US-Sprinter Tommie Smith und John Carlos, des Weltrekordsprunges von Bob Beamon (8,90 Meter) oder des erstmals gezeigten und auf Anhieb vergoldeten Fosbury-Flops (Hochsprungtechnik) unvergessen. Für Österreichs Leichtathletik schrieben Prokop und Eva Janko (Bronze im Speerwurf ) Geschichte. „Es waren Momente, die du dein Leben nicht vergisst“, schwärmte Prokop. herrliche Erinnerungen.“
1961 hatte er seine spätere Ehefrau Liese (Mädchenname Sykora) kennen- und lieben gelernt. Er trimmte sie in St. Pölten auf Olympia 1964 in Tokio hin, wo sie sich aber beim Aufwärmen für den „So Hochsprung verletzte. „Es gab Tränen, aber wir haben uns geschworen, vier Jahre später eine Medaille zu holen. Wir haben wie wild trainiert“, sagt er. 1965 wurde geheiratet und dann war es so weit. In Eigenregie, mit der Akkreditierung von Bruder Ludwig Prokop, war er dabei. Und 1968 wurde „die Liese als Sechzehnte der Weltrangliste“sensationell Zweite im Fünfkampf. Dass sogar Gold tatsächlich in Reichweite gewesen ist, ist eine dieser Geschichten, die 50 Jahre später noch immer bewegen. „Es hat furchtbar geschüttet, aber das ist in Mexiko ja ganz normal. Weil die Deutsche Ingrid Becker beim Kugelstoßen in ihren Adidas-Schuhen derart gerutscht ist, konnte sie nicht gescheit stoßen. Was macht die Liese? Sie gibt ihr ihre Puma-Schuhe – und Becker gewinnt. So war sie, die Liese.“Becker siegte mit 5098 Punkten, Liese Prokop schaffte österreichischen Rekord, 4966 Zähler.
Die Tragweite dieser Medaille ist bis dato enorm. Nur Herma Bauma eroberte Olympiagold (Speer, 1948 in London). Seit Sydney 2000 (Silber, Stephanie Graf 800 Meter) wartet Österreichs Leichtathletik vergebens auf neue Erfolge. Und wird womöglich noch viel länger warten müssen.
Der viel zu oft als „Peitschenknaller“verschriene Trainer lachte. „Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. 1968 war es unvorstellbar, dass eine Österreicherin eine Medaille gewinnt. Was passiert ist? Sie hissten statt unserer die Fahne von Australien!“
Aus sportlicher Rivalität wuchs jedenfalls später echte Freundschaft. Mit Ingrid Mickler-Becker, die ebenfalls kurz in der deutschen Politik (Staatssekretärin im Sozialministerium) gelandet war, hielt man immer Kontakt. Sie war sogar einmal der Überra- schungsgast bei einer Geburtstagsfeier der Innenministerin.
Überraschungen hat das Leben immer auf Lager. Es kommt jedoch stets drauf an, wie man reagiert. Gunnar Prokop blieb seiner Linie aber immer treu. Für manche mag es stur anmuten, andere finden gerade das bewundernswert. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte, aber für ihn spielt es keine Rolle, was andere über ihn denken. Nebst acht Champions-LeagueSiegen ist dieses Silber sein wohl größter Erfolg. Errungen mit der großen Liebe seines Lebens. Dieses „Heiligtum“ist seit sechs Monaten als Leihgabe Teil einer Ausstellung in der Landessportschule St. Pölten. „Franz Stocher hat ein sehr schönes Platzerl für sie gefunden. Die Liese wäre sicherlich darüber begeistert.“