Eiertanz ums Kopftuch
Ausstellung. Den Frauen wurde schon in christlichen Urzeiten der „Schleier als Joch“an den Hals gewünscht. Das soll aber nicht als Ausrede für den problematischen Umgang mit dem Symbol einer muslimischen Verhüllungskultur dienen.
Den Frauen wurde schon in christlichen Urzeiten der „Schleier als Joch“an den Hals gewünscht. Das soll nicht als Ausrede für den problematischen Umgang damit dienen.
Kann man eine „neutrale“Ausstellung zum Thema Kopftuch machen? Nein. Da kann man noch so oft betonen, „tagespolitische Themen“nicht spiegeln zu wollen, wie es der Direktor des Weltmuseums, Christian Schicklgruber, und der Kurator Axel Steinmann bei der Pressekonferenz zu „Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch“getan haben. Es ist absurd, es macht misstrauisch. Gibt es in unserer Zeit doch kein umstritteneres Symbol, jeder Move, jede Auswahl von Künstlern, Exponaten, Zitaten wird zum Kommentar. Mit einer strikt historischen Schau könnte man noch neutralen Boden gewinnen. Aber nicht, wenn man bis ins Heute geht, sich wie das Weltmuseum noch dazu bewusst dafür entschieden hat, neben Ethnologen und Historikern auch zeitgenössische bildende Künstler, Designer und Teppichhändler um ihre Meinung zu fragen.
Die Ausstellung beginnt prominent mit einer vermummten Frauengestalt, dem fast lebensgroß aufgeblasenen historischen Stich der „Venezianischen Jungfrau“aus dem Renaissancebuch „Trachten mancherley Völcker“. Wohin die Reise geht, wird hier gleich klar: um den kritischen Blick aufs Eigene. Es folgt ein Raum stärksten Kontrasts, eine klischeehaft orientalistisch-sinnliche Materialstoffschlacht, in dem sich „das Kopftuch“, und zwar eindeutig das muslimische, in unendlich viele Kopftücher auflöst: Die steirische Künstlergruppe G.R.A.M. zeigt in einer Panoramamontage eine schier unendlich wirkende Basarsituation, in der Frauen nach Kopftüchern wühlen, kein angenehmes Bild. Direkt anschließend läuft das spätestens seit ihrer Lentos-Retrospektive berühmte Video von Nilbar Güres, die sich ein Kopftuch nach dem anderen abnimmt, um uns am Ende lachend und unverhüllt gegenüberzusitzen.
Das Hermes-Tuch von Queen Elizabeth?
„Die Mehrheit der muslimischen Frauen in Europa repräsentieren, mit oder ohne Kopftuch, zuallererst sich selbst und keinerlei religiöse oder nationalistische Ideen“, schreibt die in Wien und Istanbul lebende Künstlerin dazu. Klingt doch wunderbar, damit scheint sich diese Ausstellung auch zufriedenzugeben. Es beginnt ein (Schl)Eiertanz, bei dem vieles zusammengewürfelt wird, das außer seiner textilen Beschaffenheiten nichts miteinander zu tun hat, ja, sich dadurch gegenseitig in seiner Ernsthaftigkeit sogar aufhebt. Etwa das Hermes-Kopftuch von Queen Elizabeth und die Aussteuerstickereien einer Berberin. Operiert wird hier mit dem in un- endlich vielen Feuilletons und Aufsätzen durchexerzierten Argument – warum regen wir uns im Westen heute nur so über die Kopftücher, die Burkas und Hijabs auf, wir haben doch selbst eine lange Tradition der patriarchal und religiös bestimmten Verhüllung von Frauen.
Das stimmt, mit Betonung auf Vergangenheit, und wird hier auch mit Textbeispielen aus dem ersten Korintherbrief von Paulus belegt, vor allem aber mit einem Zitat des umstrittenen Kirchenvaters Tertullian aus dem dritten Jahrhundert n. Chr., der den Frauen die Verhüllung als Strafe für die Erbschuld an den Hals gewünscht hat: „Der Schleier ist ihr Joch!“, schrieb er. Als religiöses, elitäres, modisches Statement mäanderte das Kopftuch daraufhin im Abendland bis ins Heute, wurde immer wieder mit Ideologien besetzt, die Tracht der Nonnen natürlich oder die Heimattümelei der Nazis, wie hervorgehoben wird (die gleichzeitige Pun- zierung des Kopftuchs als Symbol der Arbeiterin im Kommunismus fehlt dagegen).
Ein großartiger Raum wurde von Susanne Bisovsky und Josef Gerger gestaltet: Schon von Weitem sieht man eine gesichtslose Marionetten-Ahnfrau der Schönheit, durch und durch aus weißer Spitze, verführerisch mit Kopf und Hüfte wackeln, umgeben von Fotos der Modelle Bisovskys, die als Designerin unnachahmlich eine ins feuchtfröhlich gekippte Trachtenmode in etwas Unheimliches, Schweres, dennoch unendlich Schönes transponiert hat. Glücklich aber blickt keines der Modelle unter seiner schweren, extrem dekorativen Stofflast hervor.
Wo bleiben Zitate der Scharia?
Wo aber bleiben Zitate aus dem Koran oder, relevanter im Zusammenhang mit dem Kopftuch, der Scharia? Der Kurator schließt zwar mit dem Hinweis, dass das Kopftuch nie ein „x-beliebiges Stück Stoff ist“, dass es allzu oft „das Wort eines Mannes auf dem Körper einer Frau“ist. Aber viele dieser „Worte“aus dem muslimischen Kulturkreis bleiben hier unausgesprochen. Sie werden im ärgerlichsten Fall sogar relativiert, im Fall des „Statements“der Wiener Händlerin Renate Anna Menzel sogar als naiv-eskapistischer Gegenentwurf „zu unserer profitorientierten, technisierten Hemisphäre“erhoben. Dass es sich bei diesen „auratischen Stoffen“um Aussteuern u. a. für Zwangsheiraten handelt, bleibt unerwähnt.
Diese Muster, Ornamente, Farben, die Schicksale bestimmt haben, die seit jeher auch Stoff westlicher Sehnsüchte waren, bilden in der Schau einen durchlaufenden Film: Die großteils historischen Tücher zur Frauenwie Männerverhüllung aus muslimischen (in nur wenigen Beispielen auch jüdischen) Kulturen reihen sich aneinander wie ein langer, ungeordnet wirkender Strom. Die christlichen Textilien kommen ausschließlich abstrakt vor, in Gemälden, Fotos, Texten. Auch das ist ein zu bedenkender Unterschied, der die westliche Kopftuchkultur seltsam ungreifbar werden lässt und gerade hier eine sich selbst analysierende Metaebene einzieht.
Schwierig. Lieber hätte man in dieser Ausstellung eine klar formulierte, klar kritisierbare Ausrichtung vorgefunden. Lieber hätte man zu diesem Thema, das viele Schulklassen anspricht, auch mehr zum Ausprobieren, mehr Didaktisches erlebt. Das wäre in diesem Fall wohl klüger gewesen, als eine künstlerische Ebene einzuziehen.
„Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch“: Weltmuseum, Heldenplatz, bis 26. 2., tägl. außer Mi: 10–18, Fr: bis 21 Uhr.