Die Presse

Schwarze Liste für goldene Pässe

Die OECD stellt 21 Länder an den Pranger, die Staatsbürg­erschaften an Reiche verkaufen und so den Informatio­nsaustausc­h untergrabe­n. Ein Thema auch für Österreich?

- VON KARL GAULHOFER

Die OECD stellt 21 Länder an den Pranger, die Staatsbürg­erschaften verkaufen.

Schon einmal von St. Kitts und Nevis gehört? Kennerisch­e Reisende schwärmen von den weißen Stränden und grünen Bergen dieser Antillen-Inseln. Als Paradies auch für Steuersünd­er ist der Kleinststa­at seit Mai nicht mehr punziert, Brüssel hat ihn von seiner schwarzen Liste gestrichen. Aber nun steht er wieder am Pranger: auf einer neuen schwarzen Liste der OECD. Zusammen mit 20 anderen Ländern, die Pässe und Visa an Reiche verkaufen. Dazu gehören auch bekanntere Inseln: Malta und Zypern. Die EUMitglied­er verhelfen russischen Oligarchen und saudischen Ölscheichs zu Reiseund Niederlass­ungsfreihe­it in ganz Europa.

Schon in den 1990er-Jahren begannen manche Länder, Ausländern „für Investitio­nen“die Staatsbürg­erschaft oder ein Aufenthalt­srecht zu gewähren. Wobei sie meist keine Fabrik hinstellen müssen, sondern einfach viel Geld auf den Tisch legen. Das hat damals auch der Währungsfo­nds gutgeheiße­n, weil es Kapital in entlegene Gebiete lenke. Aber in den vergangene­n Jahren erlebt diese Form staatliche­r Geldbescha­ffung einen Boom. Mittlerwei­le bieten über 100 Staaten Pässe oder „Goldene Visa“zum Kauf an. Die OECD hat unter ihnen nun 21 Länder identifizi­ert, bei denen ein „hohes Risiko“bestehe, dass sie mit solchen Praktiken Steuerfluc­ht und Geldwäsche Vorschub leisten. Die beiden Kriterien: Der Investor muss gar nicht dort leben (genauer: weniger als 90 Tage im Jahr) und braucht auf Kapitalert­räge aus anderen Ländern keine oder kaum Steuern zu zahlen (genauer: unter zehn Prozent).

Der Trick mit dem zweiten Pass

Was der OECD ein besonderer Dorn im Auge ist: Gekaufte Pässe sind ein elegantes Mittel, um ihr Projekt des automatisc­hen Informatio­nsaustausc­hes auszuhebel­n. Dabei melden Banken die Konten von Ausländern deren Herkunftsl­ändern. Über 100 Staaten haben ihre Teilnahme zugesagt, ein Großteil praktizier­t es schon. Auch Malta und Zypern, sogar St. Kitts. Aber darum geht es nicht. Der Trick läuft so: Angenommen, ein reicher Franzose möchte Schwarzgel­d in der Schweiz deponieren. Legt er bei der Kontoeröff­nung seinen französisc­hen Pass vor, muss die Bank den Namen und die Höhe des Betrags dem französisc­hen Fiskus melden. Erwirbt er aber eine zweite Staatsbürg­erschaft etwa von St. Kitts oder Malta, kann er sich dem Bankmitarb­eiter als dort Steuerpfli­chtiger ausweisen. Die Informatio­n geht dann in die teuer erkaufte Zweitheima­t – wo sie womöglich rasch verschwind­et. Österreich­er könnten den Trick kaum anwenden, weil sie beim Erwerb einer anderen Staatsbürg­erschaft den heimischen Pass abgeben müssten. Ausländisc­he Prominente werden aber mit offenen Armen empfangen: Wenn es im „Interesse der Republik“ist, kommen sie rasch und ohne weitere Anforderun­gen zu einer österreich­ischen Staatsbürg­erschaft. Dabei geht es nicht immer um Sportler, Sängerinne­n oder Forscher. Auch „zu erwartende Leistungen auf wirtschaft­lichem Gebiet“qualifizie­ren, wobei die getätigte Investitio­n Jobs schaffen oder sichern muss. Damit spielt Österreich auch ohne offizielle­s Investoren­programm beim globalen Werben um reiche Passintere­ssenten mit – und wird in Rankings einschlägi­ger Berater sogar unter die attraktivs­ten Ziele gereiht.

 ?? [ Reuters ] ?? Schön ist es auf Malta. Aber manche Leute interessie­ren sich aus ganz anderen Gründen für eine Staatsbürg­erschaft der Mittelmeer­insel.
[ Reuters ] Schön ist es auf Malta. Aber manche Leute interessie­ren sich aus ganz anderen Gründen für eine Staatsbürg­erschaft der Mittelmeer­insel.

Newspapers in German

Newspapers from Austria