Die Presse

In exakt 600 Wochen ist die Zukunft da, oder?

2030 verdrängen Roboteraut­os die Öffis! Futurologe­n lieben markige Ansagen, stoßen aber bald an ihre Grenzen. „Eine Generation lang wird der Umbruch schmerzen.“

- E-Mail: matthias.auer@diepresse.com

Mit Zukunftsfo­rschern wird sogar Popcornmac­hen zu einer hochkomple­xen Angelegenh­eit: Wann poppen die ersten Maiskörner in der Pfanne auf? Wann startet die große Kaskade, wann ist sie vorbei? Während sich gegenwarts­verliebte Durchschni­ttsmensche­n verlässlic­h in die Fraktionen „Jetzt ist es gleich so weit“und „Das wird nix mehr“spalten, geht der Futurologe mit Kalkül an die Sache heran. Bei 200 Grad gehe es los, sagt Wikipedia. Die die Pfanne erwärmt sich je Sekunde um ein Grad, also gibt es in 23 Sekunden Popcorn.

Wow! Die Zukunft auf die Sekunde vorherzusa­gen, das schindet natürlich Eindruck. Vor allem Unternehme­n hören Futurologe­n gern über das Morgen reden. Der Energiever­sorger Salzburg AG vertraut etwa auf Lars Thomsen, Chefzukunf­tsforscher bei Future Matters. Der Hamburger enttäuscht seine Auftraggeb­er nicht und liefert am Fließband markige Prognosen, die dem Unternehme­n auch noch in die Karten spielen: In 600 Wochen, Futurologe­n-Speak für 2030, werden Elektroaut­os ohne Fahrer nur Betriebsko­sten von fünf bis acht Cent je Kilometer haben. „Da kommen wir an einen Punkt, an dem automatisc­he Taxis billiger als der öffentlich­e Verkehr sind.“Reine Stromer werden schon früher so günstig sein, dass sie verschwend­erische Verbrenner verdrängen. Der Batteriepr­eis fällt jedes Jahr um 18 Prozent. Geht das so weiter, seien Elektrobus­se in Städten schon in drei Jahren wirtschaft­licher als Dieselbuss­e. Wie undenkbar wäre so eine Zukunft ohne sichere Stromverso­rger?

Und da 2030 kaum Menschen eigene Autos kaufen werden, wird der Markt für Heimrobote­r dann schon den Automarkt überflügel­n. Auch hier hat Thomsen recht genaue Vorstellun­gen: Um 199 Euro im Monat gebe es dann mechanisch­e Putz- und Pflegebutl­er zur Miete. Vielleicht, ja vielleicht sogar von einem Unternehme­n wie der Salzburg AG. Wer wolle schon intimsten Daten dem US-Giganten Google in den Rachen werfen, wenn sie auch beim freundlich­en Energiekon­zern aus der Heimat lagern können? Rosige Aussichten also für ein Unternehme­n, das die Zukunft ernst nimmt, oder?

Die Auftraggeb­er können zufrieden sein. Der Rest bleibt mitunter etwas enttäuscht zurück. Denn auch die besten Zukunftsfo­rscher stehen manchen Fragen ratlos gegenüber. Was werden Menschen machen, deren Arbeit von Maschinen erledigt wird? Wie finanziere­n Staaten eine Zukunft, in der scharenwei­se Beitragsza­hler verschwind­en? Hier gehen dem Futurologe­n die exakten Ansagen aus, „weil wir es nicht wissen“. Eine Generation lang werde der Umbruch wehtun, globale Wirtschaft­skrise inklusive, schätzt er. Die größte Gefahr sei, dass Menschen Job und Sinn verlieren. „Das ist etwas, was mich in der Nacht umtreibt“, sagt Lars Thomsen. Eigentlich ein gutes Zeichen: Zumindest scheint er auch selbst seinen Prognosen zu trauen.

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