„Charakterlose Sau“ist kein Austrittsgrund
Es kommt immer darauf an, wer einen beschimpft.
I n einem Familienbetrieb war der Vater Alleingesellschafter und handelsrechtlicher Geschäftsführer. Sein Sohn war gewerberechtlicher Geschäftsführer und zusätzlich für das Marketing, die Werbung und den Internetauftritt des Unternehmens verantwortlich. Mit Personalagenden hatte er nichts zu tun.
17 Jahre lang war ein Mann in diesem Unternehmen in der Verwaltungsabteilung beschäftigt. Eines schönen Tages teilte er dem Sohn des Chefs mit, dass er vorhabe, das Dienstverhältnis zu beenden. Er habe nämlich einen anderen Job in Aussicht. Die darauffolgende Reaktion – der Sohn des Chefs beschimpfte ihn spontan als „charakterlose Sau“– nahm der Mann nicht nur persönlich, sondern veranlasste ihn dazu, das Dienstverhältnis durch vorzeitigen Austritt zu beenden. Bei einem berechtigten Austritt hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Kündigungsentschädigung. Diese klagte der Mann auch ein. A llerdings zu Unrecht, wie der Oberste Gerichtshof nun (9ObA45/18k) jüngst befand. Er wies die Klage des Mannes auf Kündigungsentschädigung gegen seinen Arbeitgeber, die GmbH, ab. Eine erhebliche Ehrenverletzung des Arbeitgebers gegen seinen Angestellten sei zwar ein Grund, vorzeitig auszutreten, sagte der OGH. Aber hat hier der Dienstgeber seinen Mitarbeiter überhaupt beleidigt? Nein, ist die Antwort des neunten Senats. Bei juristischen Personen repräsentiert das vertretungsbefugte Organ die Gesellschaft. Das sei bei dem Sohn des Chefs aber nicht der Fall, denn er sei lediglich gewerberechtlicher Geschäftsführer und habe als solcher keinerlei Personalverantwortung gehabt. Die wenig schmeichelnden Worte sind daher dem Sohn des Chefs persönlich zuzurechnen, aber nicht dem Unternehmen.