„Ich schreibe immer von links“
Volkstheater. Zum dritten Mal tun sich Christine Eder und Eva Jantschitsch für eine musikalische Politrevue zusammen. „Verteidigung der Demokratie“hat heute Abend Premiere.
Dass im Volkstheater bald das passiert, was schon vor zwei Jahren passiert ist, dass nämlich „die Schwarzen den Raum verlassen“, das glaubt Eva Jantschitsch nicht, und Christine Eder pflichtet ihr bei. Es ist das dritte Mal, dass die Musikerin und die Regisseurin gemeinsam ein Bühnenprojekt realisieren, und wieder geht es um politische Inhalte, wenn auch mit anderen Blickwinkeln: 2015 modernisierten die beiden im Werk X die „Proletenpassion“, die Klassenkampfrevue von Heinz R. Unger und den Schmetterlingen von 1976; im Jahr darauf erzählten sie im Volkstheater die Geschichte des Roten Wien. Viele SPÖler habe sie da im Publikum entdeckt, erzählt Jantschitsch, auch ein paar ÖVPler – doch diese seien nach der Hälfte gegangen.
Vielleicht haben sie in dem Stück, das Kritiker – auch in der „Presse“– lobend als Hohelied auf die Sozialdemokratie bezeichnet haben, ihre eigene Perspektive vermisst? „Ich hatte gar nicht vor, eine Lobeshymne auf die Sozialdemokratie zu singen“, sagt Eder. „Aber diese Zeit war so geprägt von den Roten, es ginge gar nicht, das ,ausgewogen‘ zu erzählen.“
In ihrer neuen Produktion, die heute Abend Premiere hat, geht es jedenfalls um ideologisch Uneindeutigeres: „Verteidigung der Demokratie“erzählt die Geschichte der Demokratie anhand der Biografie von Hans Kelsen, jenem Rechtsprofessor, der als „Architekt der österreichischen Verfassung“gilt. Aus Österreich ging dieser um 1930 nach Deutschland, nach Hitlers Machtergreifung nach Genf, dann nach Prag, schließlich in die USA, wo er an der Universität in Berkeley lehrte, die kurz nach seiner Pensionierung zum Ausgangspunkt der Studentenproteste gegen den Vietnam-Krieg werden sollte. „Kelsen war in einem riesigen zeitgeschichtlichen Moment am richtigen Ort“, sagt Eder. Sie verknüpft seine Biografie mit den großen Auf- und Umbruchsbewegungen des vergangenen Jahrhunderts – etwa auch mit der Entstehung erster PCs und des Internets und in weiterer Folge von Technologien, die „an einer Demokratie ordentlich kratzen können“: durch Überwachung, Filterblasen, Meinungsmanipulation.
Die Stückentwicklung nahm Eder allerdings nicht allein vor. Aus einer riesigen Materialsammlung, vielen Skizzen und Ideen „skelettierte“sie gemeinsam mit den Schauspielern und Musikern in einem quasi demokratischen Prozess einen bühnentauglichen Kern heraus. „Man könnte ihnen natürlich auch einfach einen Text vorlegen“, so Eder, aber spannender finde sie es, Inhalte zusammen zu diskutieren – zudem sei ihr wichtig, dass sich alle Beteiligten intensiv mit dem Stoff beschäftigten. Bei der vorigen Produktion sei sogar ein Historiker für eine Privatvorlesung geholt worden.
Jantschitsch, die unter dem Künstlernamen Gustav zwei gefeierte Popalben aufgenommen hat, bevor sie sich ganz der Theatermusik gewidmet hat, bringt indessen ein weiteres Thema in die Produktion ein: Sie will auf klanglicher Ebene die Geschichte der elektroakustischen Musik miterzählen. Immerhin kam zeitgleich mit der österreichischen Verfassung auch das Theremin in die Welt. Mithilfe von Synthesizern und musikalischen Algorithmen wagt Jantschitsch, die dem musikalischen Pathos ohnehin nie ganz abgeneigt ist, diesen auch hier zuzulassen: Singstimmen werden elektronisch manipuliert, der singende Körper dadurch „ein wenig weggewischt. Computersysteme dürfen traurige Lieder ganz anders singen als Schauspieler. So ein Satz wie ,Ah, kannst du dich erinnern?‘ hat, von einem Algorithmus gesungen, eine andere Bedeutung.“
Dass sich das nicht nur Zuschauer von der linken Seite des politischen Spektrums anschauen und -hören, hoffen die Theatermacherinnen. „Je diverser, desto besser“, sagt Jantschitsch. „Es geht ja um einen Diskurs, um Denkanstöße, es bedarf Reibung.“„Die Demokratie ist von vielen Seiten in Beschuss“, sagt Eder. „Man kann nicht einfach sagen: ,Die Nazis halt, die machen uns die Demokratie kaputt.‘ Das sind zu einem Gutteil wir selbst, das sind wirtschaftliche Interessen, digitale Prozesse, auch Fahrlässigkeit.“Eine ideologische Schlagseite sucht sie zu vermeiden: „Ich versuche, mich aus mehreren Perspektiven anzunähern.“
„Na, ich steh dazu“, sagt Jantschitsch. Ich schreib immer aus einer linken Perspektive. Als Künstlerin darf ich parteiisch sein.“