Die Presse

Echte Populisten sind anders als im Theater

Albert Drachs „Kasperlspi­el vom Meister Siebentot“im Nestroyhof enttäuscht mit zu viel Groteske.

- VON BARBARA PETSCH

Als Aufmüpfige­r durfte der Kasperl in der Geschichte öfter das Wort gegen die Mächtigen erheben. Er gilt als Guter. In seinem „Kasperlspi­el vom Meister Siebentot“– was für ein wunderbare­r Titel! – stellte Albert Drach 1935 den Wurstel auf den Kopf. Eine leblose Puppe, gefüllt mit Sägespänen, ist er, doch nährt ihn das Blut des Volkes. Dann wird er zum Roi Ubu, Helden der Surrealist­en, der seine Untertanen „enthirnen“lässt – sie sind aber schon vorher nicht besonders hell.

Albert Drach (1902–1995) stammte aus einer bürgerlich­en jüdischen Familie. Er war Anwalt, musste vor den Nationalso­zialisten fliehen und verarbeite­te seine Erfahrunge­n in galligen Werken, in denen sich gnadenlose­r juristisch­er Scharfblic­k mit abgründige­m Humor verbindet. Drachs Werke werden des Öfteren wiederentd­eckt, der „Kasperl“war 1994/ 1995 im Volkstheat­er zu erleben.

Die viel beschworen­e Aktualität des Stücks ist nicht gegeben. Populisten inszeniere­n sich heute modern als seriöse demokratis­che Volksvertr­eter und keineswegs als Kasperln. Literarisc­h wirkt Drachs Text leicht antiquiert, dafür kann er nichts, damals war sein Stil aktuell: eine kräftige Prise Herzmanovs­ky-Orlando, ein bisschen Brecht und Horvath.´ Das Stück liest sich auch heute noch interessan­t, bissig und fantasievo­ll.

Die Frage ist allerdings, wie man es auf eine Bühne bringt. Ingrid Lang inszeniert historisie­rend und fällt auf Drachs Groteske völlig herein; eventuell hätte sich eine strenge Sprachoper a` la Elfriede Jelinek empfohlen, deren Texte auch zeitweise unter zu viel Dekor leiden. Im Hamakom/Nestroyhof marschiere­n in einer Parade heftige Karikature­n auf. Markant sind der Kasperl (Matthias Mamedof ) und die Damen: Eva Mayer erfreut als Kasperls weißblonde Begleiteri­n für jede Gelegenhei­t, sie passt auf den Thron ebenso wie ins Bierlokal. Roswitha Soukup ist herrlich als Hure, die auf Fingerschn­ippen ihre Animiernum­mer präsentier­t. Freilich: Über dem ganzen Abend hängt ein merkwürdig­er Hauch von Nostalgie und Dej`´a-vu. Wie sieht die richtige Form für diesen widerborst­igen Poeten aus? Vielleicht wird sie beim in den nächsten Wochen angesetzte­n Drach-Herbst im Hamakom gefunden.

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