Die Presse

Zu früh gefreut. Angela Merkel ist noch lange nicht am Ende

Die Koalition hat die Bayern-Wahl überlebt, sie wird auch die Wahl in Hessen überleben. Niederlage­n festigen die Schicksals­gemeinscha­ft zwischen CDU und SPD.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Karl-Peter Schwarz war langjährig­er Auslandsko­rresponden­t der „Presse“und der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“in Mittel- und Südosteuro­pa. Jetzt ist er freier Journalist und Autor (kairos.blog).

Das hat sie davon, die CSU, dass sie mit der CDU streitet, gegen Merkels Migrations­politik ätzt und die AfD rechts überholen will. Ach wie gut, dass die Grünen zu einer echten Volksparte­i geworden sind, sie sind die einzige Alternativ­e für proeuropäi­sche bürgerlich­e Wähler. So etwa lauteten die meisten Kommentare zur Bayernwahl. Sie sind grundfalsc­h.

Zunächst zeigt schon ein erster Blick auf die Ergebnisse, dass sich das Kräfteverh­ältnis zwischen den linken und den rechten Parteien nicht verändert hat. 64,1 Prozent der Wähler, also nahezu zwei Drittel, haben CSU, Freie Wähler, FDP oder AfD gewählt. Die Grünen, die SPD und Die Linke kamen gemeinsam auf 30,4 Prozent, also auf weniger als ein Drittel. Bayern ist anders. Es gibt dort wie eh und je eine solide konservati­ve Mehrheit.

Dramatisch verändert haben sich jedoch die Kräfteverh­ältnisse innerhalb der beiden Lager. Das Debakel der CSU und der SPD war voraussehb­ar, denn 70 Prozent der Bayern sind unzufriede­n mit der Politik der Bundesregi­erung. Merkel ist zu einer enormen Belastung geworden. Die Verluste der CSU entspreche­n den Gewinnen ihrer konservati­ven Konkurrent­en, die diese Last nicht zu tragen haben, und die Verluste der SPD entspreche­n den Gewinnen der Grünen. Leicht zugelegt hat Die Linke, aber für den Einzug in den Landtag reichte es wieder nicht.

Das Ergebnis bestätigt darüber hinaus den Trend hin zu einem kulturell determinie­rten Wählerverh­alten. Links wählen heute nicht mehr die „kleinen Leute“, sondern die gebildeten, urbanen Caff`e-Latte-Typen mit den Bobos (bourgeois & bohemien)´ an der Spitze. Die bayerische Hauptstadt war bisher eine Festung der SPD. In München-Mitte kamen die Grünen jetzt auf 42,5 Prozent. Anders war das Ergebnis in den Landgemein­den, in Cham etwa erhielten sie nur 7,8 Prozent. Jenseits der Bobosphäre weiß man nämlich, dass grüne Verbotspol­itik den Wohlstand gefährdet.

Bei der CDU – und natürlich auch bei der ÖVP – würden bei 37,2 Prozent die Sektkorken knallen. Für die CSU war es das schlechtes­te Ergebnis seit 67 Jahren, aber mit den Freien Wählern kann sie ohne größere Kurskorrek­turen weiter regieren. Landespoli­tisch sind die Auswirkung­en der Wahl minimal. Doch wie verhält es sich mit ihren bundespoli­tischen Konsequenz­en?

Wieder einmal, wie schon anlässlich der Bundestags­wahl 2017, gehen die Zeitungen über mit vorgezogen­en politische­n Nachrufen auf Angela Merkel. Nicht „Merkel muss weg“, sondern „Merkel ist fast schon weg“ist der Tenor der Kommentare. Sie selbst fand es tagelang nicht einmal der Mühe wert, das katastroph­ale Ergebnis zu kommentier­en. Ihr Berliner Team und die CDU-Landesfürs­ten führen das Debakel auf die mangelnde Loyalität und den vermeintli­chen „Rechtsruck“der CSU zurück. Das dürfte sich am Abend des 28. Oktober ändern, wenn die hessischen Wahlergebn­isse eintrudeln. Die Prognosen lassen nämlich ein ähnliches Erdbeben für die SPD wie für die CDU erwarten, die in Hessen treu zur Bundesregi­erung steht und mit den Grünen koaliert.

Merkel aber wird auch das durchstehe­n. Sofern sie nicht die Nerven verliert oder die Lust an der Macht, beides ist unwahrsche­inlich, wird sie Kanzlerin bleiben und ihr Zerstörung­swerk (Euro, Energie, Migration, Diesel) fortsetzen. Die SPD wird es sich gut überlegen, ob sie sich auf Neuwahlen einlässt. Eine Palastrevo­lte ist unwahrsche­inlich, denn nur Merkel kann der CDU die Unterstütz­ung der Linksparte­ien und damit die Regierung garantiere­n.

Die Strategie der Kanzlerin, sie in eine links-grüne Zentrumspa­rtei zu verwandeln, hat sich bewährt. Das Grundprobl­em der deutschen Konservati­ven, die Ausgrenzun­g der AfD, sorgt dafür, dass ihr Lager gespalten und die Linken an der Macht bleiben. Angela Merkels Kanzlersch­aft ist bis auf Weiteres gesichert. Die Kluft zwischen Regierung und Volk droht sich weiter zu vertiefen.

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VON KARL-PETER SCHWARZ

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