Zu früh gefreut. Angela Merkel ist noch lange nicht am Ende
Die Koalition hat die Bayern-Wahl überlebt, sie wird auch die Wahl in Hessen überleben. Niederlagen festigen die Schicksalsgemeinschaft zwischen CDU und SPD.
Das hat sie davon, die CSU, dass sie mit der CDU streitet, gegen Merkels Migrationspolitik ätzt und die AfD rechts überholen will. Ach wie gut, dass die Grünen zu einer echten Volkspartei geworden sind, sie sind die einzige Alternative für proeuropäische bürgerliche Wähler. So etwa lauteten die meisten Kommentare zur Bayernwahl. Sie sind grundfalsch.
Zunächst zeigt schon ein erster Blick auf die Ergebnisse, dass sich das Kräfteverhältnis zwischen den linken und den rechten Parteien nicht verändert hat. 64,1 Prozent der Wähler, also nahezu zwei Drittel, haben CSU, Freie Wähler, FDP oder AfD gewählt. Die Grünen, die SPD und Die Linke kamen gemeinsam auf 30,4 Prozent, also auf weniger als ein Drittel. Bayern ist anders. Es gibt dort wie eh und je eine solide konservative Mehrheit.
Dramatisch verändert haben sich jedoch die Kräfteverhältnisse innerhalb der beiden Lager. Das Debakel der CSU und der SPD war voraussehbar, denn 70 Prozent der Bayern sind unzufrieden mit der Politik der Bundesregierung. Merkel ist zu einer enormen Belastung geworden. Die Verluste der CSU entsprechen den Gewinnen ihrer konservativen Konkurrenten, die diese Last nicht zu tragen haben, und die Verluste der SPD entsprechen den Gewinnen der Grünen. Leicht zugelegt hat Die Linke, aber für den Einzug in den Landtag reichte es wieder nicht.
Das Ergebnis bestätigt darüber hinaus den Trend hin zu einem kulturell determinierten Wählerverhalten. Links wählen heute nicht mehr die „kleinen Leute“, sondern die gebildeten, urbanen Caff`e-Latte-Typen mit den Bobos (bourgeois & bohemien)´ an der Spitze. Die bayerische Hauptstadt war bisher eine Festung der SPD. In München-Mitte kamen die Grünen jetzt auf 42,5 Prozent. Anders war das Ergebnis in den Landgemeinden, in Cham etwa erhielten sie nur 7,8 Prozent. Jenseits der Bobosphäre weiß man nämlich, dass grüne Verbotspolitik den Wohlstand gefährdet.
Bei der CDU – und natürlich auch bei der ÖVP – würden bei 37,2 Prozent die Sektkorken knallen. Für die CSU war es das schlechteste Ergebnis seit 67 Jahren, aber mit den Freien Wählern kann sie ohne größere Kurskorrekturen weiter regieren. Landespolitisch sind die Auswirkungen der Wahl minimal. Doch wie verhält es sich mit ihren bundespolitischen Konsequenzen?
Wieder einmal, wie schon anlässlich der Bundestagswahl 2017, gehen die Zeitungen über mit vorgezogenen politischen Nachrufen auf Angela Merkel. Nicht „Merkel muss weg“, sondern „Merkel ist fast schon weg“ist der Tenor der Kommentare. Sie selbst fand es tagelang nicht einmal der Mühe wert, das katastrophale Ergebnis zu kommentieren. Ihr Berliner Team und die CDU-Landesfürsten führen das Debakel auf die mangelnde Loyalität und den vermeintlichen „Rechtsruck“der CSU zurück. Das dürfte sich am Abend des 28. Oktober ändern, wenn die hessischen Wahlergebnisse eintrudeln. Die Prognosen lassen nämlich ein ähnliches Erdbeben für die SPD wie für die CDU erwarten, die in Hessen treu zur Bundesregierung steht und mit den Grünen koaliert.
Merkel aber wird auch das durchstehen. Sofern sie nicht die Nerven verliert oder die Lust an der Macht, beides ist unwahrscheinlich, wird sie Kanzlerin bleiben und ihr Zerstörungswerk (Euro, Energie, Migration, Diesel) fortsetzen. Die SPD wird es sich gut überlegen, ob sie sich auf Neuwahlen einlässt. Eine Palastrevolte ist unwahrscheinlich, denn nur Merkel kann der CDU die Unterstützung der Linksparteien und damit die Regierung garantieren.
Die Strategie der Kanzlerin, sie in eine links-grüne Zentrumspartei zu verwandeln, hat sich bewährt. Das Grundproblem der deutschen Konservativen, die Ausgrenzung der AfD, sorgt dafür, dass ihr Lager gespalten und die Linken an der Macht bleiben. Angela Merkels Kanzlerschaft ist bis auf Weiteres gesichert. Die Kluft zwischen Regierung und Volk droht sich weiter zu vertiefen.