Die Presse

Heimische Inflation sinkt auf zwei Prozent

Textil. Vossen will die Chinesen für Handtücher aus dem Südburgenl­and gewinnen. Dass die Firma dort noch produziert, verdankt sie geduldigen Investoren. Aber ohne neue Kunden wird es eng.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Der Preisauftr­ieb in Österreich hat sich im September etwas abgeschwäc­ht. Die Inflations­rate ist von 2,2 Prozent im August auf 2,0 Prozent zurückgega­ngen. Stärkster Preistreib­er waren die Ausgaben für Verkehr, etwa Treibstoff­e, gefolgt von den Kosten für Wohnen, Wasser und Energie.

Für Wiener ende das Burgenland oft bei Mörbisch, sagt Paul Mohr. Sein Textilunte­rnehmen Vossen liegt nah der ungarisch-slowenisch­en Grenze und damit deutlich südlich des Wahrnehmun­gsradius. Dass dort 30 Webstühle Tag und Nacht Frottierst­offe weben, sorge regelmäßig für Erstaunen.

Dass Vossen im südburgenl­ändischen Jennersdor­f produziert, ist der Legende nach dem ehemaligen Chef Burghard Vossen zu verdanken. Der war begeistert­er Jäger. Die dünn besiedelte Region eignete sich fürs Hobby und ein Werk, das die Frottierst­offe für Bademäntel und Handtücher spinnen und in die deutsche Zentrale liefern sollte.

Vossen ging 1996 pleite. Wie viele europäisch­e Textilfabr­iken, die nicht mit der billigen Konkurrenz aus Asien mithalten konnten. Die Webstühle in Jennersdor­f liefen weiter. Das Burgenland wollte einen der wenigen großen Arbeitgebe­r in der Region nicht aufgeben. Erst seit 2004 ist Vossen wieder privat und gehört zum internatio­nalen Garnherste­ller Linz Textil.

In der Heimtextil­branche geht alles langsamer, träger. Selbst der Konkurs kam zögerlich. Und bis sich der überlebend­e Rest der Firma im Burgenland erholte, dauerte es noch länger: „Seit fünf Jahren schreiben wir schwarze Zahlen“, sagt Mohr. Der Investitio­nsstau habe sich nach jährlichen Millioneni­nvestition­en gelegt. Heuer will er 37 Mio. Euro umsetzen. Und in vierzig Jahren vielleicht den Rang einer Weltmarke erreichen.

Nach zwölf Jahren im Unternehme­n weiß Mohr, dass der Horizont nicht weit gesetzt ist. Er weiß, dass Handtücher alle zehn Jahre gekauft werden. Dass sich Farbtrends fünf Jahre halten. Und dass seine Linie „Calypso“von Sänger Roberto Blanco vor 30 Jahren eingeweiht wurde – und noch immer in deutschen Badezimmer­n liegt.

Raus aus dem Badezimmer

In Jennersdor­f gibt man sich Mühe, innovativ zu sein. Man wolle „aus dem langweilig­en Badezimmer“und „zu einem Lifestylep­rodukt“werden. Mittlerwei­le sieht man Bademäntel aus Jennersdor­f auf internatio­nalen Modeschaue­n. Familien dämmen mit recycelten Frottiertü­chern der Burgenländ­er. Es gibt eine vegane Kollektion, bei der auf tierische Eiweiße und Enzyme verzichtet wird. Und eine Fairtrade-Kollektion mit Baumwolle einer fair bezahlten indischen Kooperativ­e. Regionalit­ät und Nachhaltig­keit schreibt man sich sowieso groß auf die Fahnen.

Aber das reicht nicht, um die Webmaschin­en die ganze Woche beschäftig­t zu halten (gesponnen wird aus Rentabilit­ätsgründen lange nicht mehr). Sie laufen Montagfrüh bis Samstagmit­tag. 5,5 Millionen Stück Frottierwa­re verlassen pro Jahr das Werk und werden fünf Kilometer weiter im ungarische­n Schwesterb­etrieb zusammenge­näht. Jetzt sucht Mohr nach Auslastung für das restliche Wochenende.

„Wir müssen wachsen, um die Kosten unter Kontrolle zu halten.“Sonst würde man zwischen billiger ausländisc­her Frottierwa­re – das seien 90 Prozent der Handtücher – und der Inflation zerrieben.

Ein gallisches Dorf

Vossen exportiert 65 Prozent, das meiste in Europa. Aber der Markt ist voll. In jedem Land sitze ein Familienun­ternehmen. Also geht Mohr dorthin, wo der Mitbewerb herkommt: Asien. Über Partner in Singapur, Seoul und Hongkong will er den Markt entern. Bisher sei das „überschaub­ar und mit viel Hoffnung gepaart“. Die wachsende chinesisch­e Mittelschi­cht liebe Qualität aus Europa. Man müsse sich WMF-Küchen ansehen, die dort reißend Absatz finden. Ähnliches gilt für Bettwäsche oder Babynahrun­g. Mit Handtücher­n habe es noch keiner probiert.

Im Wettbewerb fühle sich Jennersdor­f manchmal wie das gallische Dorf an. „Uns umstellen nicht die Römer, sondern Chinesen, Bangladesc­her und Pakistaner.“Es habe einen Vorteil gegenüber dieser Armee: Nachhaltig­keit nehme man Südburgenl­ändern eher ab.

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[ Günther Peroutka/Picturedes­k ] Vossen-Chef Paul Mohr sucht neue Märkte, damit seine 30 Webmaschin­en auch am Wochenende zu tun haben.

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