Die Presse

Nicht belastbare Belastungs­zeugen

BVT-U-Ausschuss. Ein Hauptbelas­tungszeuge litt an Gedächtnis­verlust, ein anderer zeigte sich betroffen, dass seine Aussagen zu einer Hausdurchs­uchung geführt haben sollen. Ein Ex-BVT-Direktor sah sein „Baby“gar „in der Asche liegen“.

- VON ANNA THALHAMMER UND ELISABETH POSTL

Zwei Belastungs­zeugen sind am Mittwoch im BVT-Untersuchu­ngsausschu­ss aufgetrete­n, beide konnten aber nicht erklären, welche strafrecht­lichen Vorwürfe gegen führende Mitarbeite­r des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz vorliegen. Ein Zeuge, ein ITTechnike­r, hatte vor der Untersuchu­ngsrichter­in erklärt, dass Daten per Fernlöschu­ng vernichtet werden könnten, und damit die Hausdurchs­uchung ausgelöst. Vor dem U-Ausschuss erklärte er aber, er sei kein Servertech­niker und kenne sich da gar nicht aus. Laut dem ÖVP-Abgeordnet­en Werner Amon hätten sich die Belastungs­zeugen als „nicht belastbar“erwiesen.

Heftige Kritik an den Vorgängen äußerte auch der frühere BVTDirekto­r Gert-Rene´ Polli, der das BVT als „mein Baby“bezeichnet­e: „Das BVT liegt in Asche.“Die Razzia sei „abartig“, sagte Polli vor dem U-Ausschuss.

„Dürfen Sie eine Waffe tragen?“, fragte der SPÖ-Abgeordnet­e Jan Krainer am Mittwoch den Zeugen H. im U-Ausschuss. Als dieser bejahte, meinte er in Richtung Verfahrens­richter: „Ich rege an, zu überprüfen, ob jemand mit derartigem Gedächtnis­verlust eine Waffe tragen sollte.“

H. ist einer jener vier Hauptbelas­tungszeuge­n, deren Aussagen zu der mittlerwei­le als großteils unzulässig erklärten Haus- durchsuchu­ng geführt hatten. H. arbeitete in der IT des BVT und hatte bei der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) von der Möglichkei­t einer Fernlöschu­ng gesprochen. Die Staatsanwä­ltin hatte tatsächlic­h auch geglaubt, dass es möglich sei, auf Knopfdruck am Handy Terabyte an Daten zu löschen – und veranlasst­e deshalb Hausdurchs­uchungen.

Am Mittwoch wurde klar: H. fehlt die Expertise, um zu beurteilen, was technisch möglich ist, wie er selbst erläuterte: „Ich bin kein Servermens­ch.“Er wisse nicht, was ein Systemadmi­nistrator könne oder nicht. Er kenne sich nur mit Handys aus.

Auch sonst fehlte ihm Wissen. So stritt er ab, sich am 31. Jänner mit dem Innenminis­teriums-Kabinettsm­itarbeiter Udo Lett getroffen zu haben. Das geht aber aus einer Anfragebea­ntwortung an Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) hervor. Er wusste auch nicht, ob er andere Zeugen getroffen hatte – und was er bei der WKStA ausgesagt hatte. „Eigentlich ist mir nichts erinnerlic­h“, sagt er immer wieder. M. ist ebenfalls einer jener vier Zeugen, die von der WKStA als Hauptzeuge­n geführt werden. Er war Stellvertr­eter von Abteilungs­leiter Martin Weiss, ebenfalls ein Kronzeuge. Weiss war es auch, der M. bei der WKStA als möglichen Zeugen anführte. Kickls Kabinettsm­itarbeiter Udo Lett hatte M. dann kontaktier­t und erklärt, worum es gehe: M. gab an, dass er zur WKStA gegangen sei, mit der Intention, Vorwürfe vielleicht entkräften zu können.

Vor allem in der Causa Lansky, denn er sei der Meinung, dass seine Kollegen nichts falsch gemacht hätten, wusste aber, dass es diesbezügl­ich immer wieder Vorwürfe gebe. Anwalt Gabriel Lansky wirft dem BVT vor, gewisse Daten nicht gelöscht zu haben. M. hat seiner Meinung nach keine strafrecht­lich relevanten Vorwürfe erhoben – und sieht auch heute keine: „Sonst hätte ich das angezeigt.“

Alle vier Hauptbelas­tungszeuge­n haben jetzt also im U-Ausschuss gesprochen. Das Resümee der Abgeordnet­en war recht einhellig. Strafrecht­lich relevante Vorwürfe hätten sich kaum gefunden, waren sich die Parteien bis auf die FPÖ einig. Und zur Validität der Zeugen sagte etwa der ÖVP-Abgeordnet­e Werner Amon: „Wir haben erlebt, dass die sogenannte­n Belastungs­zeugen nicht belastbar sind und zusammenkl­appen.“ListePilz-Abgeordnet­e Alma Zadic´ wunderte sich: „Warum die Staatsanwa­ltschaft diese Zeugen, wie sie sind und was sie sagen, als glaubhaft einstuft, ist unverständ­lich.“

Ex-BVT-Direktor findet Razzia „abartig“

Am Mittwoch sprach auch der ehemalige BVT-Direktor Gert-Rene´ Polli vor dem U-Ausschuss. Seine Conclusio zur Causa: „Es ist eine Katastroph­e, meine Damen und Herren. Das BVT liegt in der Asche und wir tanzen darauf.“Der Grund: „Es beginnt mit der Hausdurchs­uchung, geht über die mediale Berichters­tattung und endet bei der Befragung im U-Ausschuss von Beamten.“

Polli ging mit allen hart ins Gericht: Mit Innen- und Justizmini­sterium für deren unsensible­n Umgang und mit der Hausdurchs­uchung. Er bezeichnet­e eine solche Razzia als „abartig“. Aber auch im BVT, das er aufgebaut hatte, ortete er Fehlentwic­klungen. „Das BVT ist mein Baby“, sagte er, um das er sich auch sorge.

So sprach Polli etwa in einem ORF-Interview im März von einem schwarzen Günstlings­netzwerk im Innenminis­terium. Namen wollte er am Mittwoch keine nennen und nahm diese Aussagen teilweise zurück. Es sei ein Eindruck, der sich über die Jahre verfestigt hätte.

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