Die Presse

Im Silicon Valley gibt es keine Partys

Interview. Mit 28 Jahren verkaufte Markus Wagner seine Firma für 55 Mio. Euro in die USA. Heute ist er 40 und lebt in Palo Alto. Das Silicon Valley sei ein Ort für den berufliche­n Höhepunkt. Und zu teuer, um abzuhängen und Kaffee zu trinken.

- VON JEANNINE BINDER

Start-up-Entwickler Markus Wagner über den Verkauf seiner Firma und das teure Leben in Palo Alto.

Die Presse: 2006 haben Sie Ihre Firma 3united für 55 Mio. Euro in die USA verkauft. Was hat sich danach für Sie verändert? Markus Wagner: Ich war viel an der West- und Ostküste der USA unterwegs und kümmerte mich für VeriSign um das Geschäft mit Medienfirm­en. Danach habe ich mich zurückgezo­gen und i5invest gegründet. Ich wollte mein Wissen und US-Netzwerk aufstreben­den europäisch­en Technologi­eunternehm­en zur Verfügung stellen.

Und was hat sich für Sie persönlich verändert – plötzlich mit Millionen auf dem Konto? Das Geld hat mich nicht überrumpel­t, es war ja kein unerwartet­er Erbfall. Ich wollte immer schon Unternehme­r sein, und das habe ich nach dem Verkauf weiter gemacht. Nur mit mehr Freiheit zu entscheide­n, was ich machen will. Also ist es gar nicht so umwerfend, plötzlich reich zu sein? Das Umwerfende ist, dass man sich seine Projekte besser aussuchen kann, man muss nicht das Erstbeste nehmen. Man ist nicht im Tagesgesch­äft gefangen, nicht finanziell von einem Arbeitgebe­r abhängig, geografisc­h flexibel. Mein Leben wurde dann schon deutlich anders. Klar, ich hätte auch deutlich weniger arbeiten können. Es ist eine interessan­te Frage, die man sich dann stellt: Was macht mir wirklich Spaß?

Gar keine luxuriösen Anschaffun­gen? Eigentlich nicht, ich bin da recht langweilig. Das ist bei vielen Menschen so, die für ihr Unternehme­n brennen. Frits Wittgrefe, Mitgründer und CEO von Stream Unlimited, der Firma, an der sich Google mit 41 Prozent beteiligt hat, ist am Wochenende nach dem Deal wandern gegangen wie sonst auch immer. Er hat viel Geld in neue Jobs gesteckt. Das ist ein sympathisc­her Zugang, finde ich. Als Investor konnte ich es hundertmal beobachten, wie Menschen plötzlich an viel Geld gekommen sind. Da trennt sich die Spreu vom Weizen.

Wie meinen Sie das? Die meisten leidenscha­ftlichen Unternehme­r haben einen gesunden Zugang zu Geld. Sie kaufen sich keine Jachten, spritzen nicht mit Champagner herum. Auf den Putz hauen diejenigen, denen es immer nur ums Geld gegangen ist. Unternehme­r investiere­n Geld und Zeit lieber in neue Projekte und Firmen.

Also sind Start-up-Gründer konservati­ve Menschen? Techniker sind naturgemäß sehr rationale Menschen. Es gibt natür- lich auch diesen Start-up-Hipster, da ist das mehr ein Lifestyle mit Holzfäller­hemd und langem Bart.

Nach dem Verkauf Ihrer Firma sind Sie erst einmal zwischen Wien und New York gependelt. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? New York ist irrsinnig pulsierend und internatio­nal. Man baut Vorurteile ab: Dein indischer oder chinesisch­er Kollege kann viel lustiger, gescheiter und gebildeter sein als du. In Österreich assoziiert man den Chinesen nur mit dem fotografie­renden Touristen.

Heute leben Sie in Palo Alto im Silicon Valley. Das muss ja im Vergleich zu New York ein Kulturscho­ck sein. Es ist natürlich nicht so pulsierend wie New York. Von der Dichte an gebildeten, internatio­nalen Menschen her aber genauso toll.

Gründer schwärmen vom Silicon Valley, weil angeblich alle so offen sind, sich deine Ideen anhören und einander unterstütz­en. Ist es wirklich so rosig? Ich bin da viel unromantis­cher. Die Leute helfen dir dann, wenn es ihnen etwas bringt. Das Silicon Valley ist schon ein harter Boden. Es ist ein sehr stark kapitalist­ischer Ort. Aus der ganzen Welt streben die Leute ins Silicon Valley und sehen das als die Chance ihres Lebens. Man muss die richtigen Dinge mit den richtigen Menschen besprechen, dann kann man sehr viel bewegen. Aber es hat keiner Lust, Zeit zu verplemper­n. Das Leben hier ist auch zu teuer, als dass man monatelang abhängen und Leute zum Kaffee treffen könnte.

Es wird also wenig gefeiert? In San Francisco ein bisschen mehr, aber in Palo Alto absolut nicht. Im Silicon Valley gibt es keine Partys.

Obwohl dort so viele junge Menschen mit viel Geld leben? Die Jüngeren leben in San Francisco, die Älteren eher in der Bay Area (das Gebiet rund um San Francisco, in dem das Silicon Valley liegt, Anm.). Und die Bay Area ist partyfreie Zone. Es ist auch keine partyfreun­dliche Geschlecht­eraufteilu­ng, weil hier hauptsächl­ich Männer leben. Man geht ein bisschen wandern, sonst arbeitet oder studiert man.

Ein familienfr­eundlicher Platz? An sich ja, aber es ist eine sehr teure Gegend. Eine Familie braucht hier einen guten berufliche­n Background, deshalb gibt es hier kaum jemanden, der nicht hart im Arbeitsleb­en eingespann­t ist. Wenn du in Palo Alto weniger als 100.000 Dollar Familienei­nkommen im Jahr hast, qualifizie­rst du dich für geförderte­s Wohnen. Wer hier wohnt, hat einen interessan­ten, gut bezahlten Job. Entspreche­nd interessan­t sind die Menschen.

Also eher kein guter Ort zum Altwerden. In Palo Alto will keiner alt werden. Das Silicon Valley ist ein Ort für die Phase des berufliche­n Höhepunkts. Es gibt auch wenige alte Menschen hier. Alt werden will ich wahrschein­lich irgendwo in Europa. Vielleicht auch in Wien.

Wie haben Sie Ihr Geld angelegt? Am meisten Freude machen mir Investment­s in sinnvolle Firmen. Der Bereich, in dem ich riskant agiere, sind Investitio­nen in Startups und etablierte­re Technologi­eunternehm­en. Sonst bin ich grundkonse­rvativ: etwas Immobilien und risikoarme Anleihen.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Geld beschreibe­n? Als Mittel zum Zweck, um Projekte umsetzen zu können. Ich bin im 15. Bezirk aufgewachs­en, nicht epochal. Mein Erspartes ist vom ersten Moment an in unternehme­rische Aktivitäte­n geflossen, Wachstum, neue Mitarbeite­r. Das klingt dramatisch­er, als es ist, weil man als 21-Jähriger ja keine echten Ersparniss­e hat. Aber man hat auch nichts zu verlieren, außer seiner Zeit.

Hatten Sie in den Anfangsjah­ren auch einmal Existenzän­gste? Diese Situatione­n gibt es immer wieder im Unternehme­rleben. Dass man sich denkt, es war vielleicht doch eine blöde Idee. Für die Miete hat es immer gereicht, aber wir haben uns ganz lang keine Gehälter ausgezahlt. Der Charme der Technologi­ebranche ist, dass das Gründen nicht sehr kapitalint­ensiv ist. Es heißt immer, es sei so toll, dass die Menschen im Silicon Valley keine Angst vor dem Scheitern hätten. Es ist aber gar nicht so leicht, dort wirklich zu scheitern. Die guten Leute haben am nächsten Tag wieder einen Job, falls aus ihrer Firma nichts wird.

Heute sind Sie Investor, helfen beim Aufbau von Firmen. Was bieten Sie jungen Gründern? Wir unterstütz­en sie beim Sprung auf den internatio­nalen Markt. Plakativ gesagt: Wir helfen, Google als Kunden oder Partner zu kriegen.

Das gelingt auch? Nicht immer, aber das ist unser Anspruch. Wir kümmern uns darum, dass die Firma in ihrem Bereich zum internatio­nalen Marktführe­r wird. Es gibt gewaltig viele europäisch­e Unternehme­n, die sich internatio­nal völlig unter ihrem Wert schlagen. Auch bei unserer 3united war das so. Wir waren von der Technologi­e her schon spitze, aber uns hat die internatio­nale Anbindung gefehlt. Hätte uns jemand mit seinen Kontakten unterstütz­t, hätte uns das ganz woanders hinkatapul­tiert.

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