Der Name an der Tür
Datenschutz. Wenn überhaupt, dann müssen öffentlich sichtbare Namensschilder nur auf Wunsch des Betroffenen entfernt werden. Oft sprechen aber dessen vitale Interessen und auch andere Gründe dagegen.
RECHT Warum Namensschilder auch weiter sichtbar bei der Türklingel stehen dürfen.
Die Ankündigung von Wiener Wohnen, wegen der DatenschutzGrundverordnung sämtliche Namensschilder an Klingelkästen der Gemeindebauten zu entfernen, hat über die Landesgrenzen hinaus hohe mediale Wellen geschlagen. Satiremagazine haben das Thema begierig aufgenommen und zu Recht persifliert.
Arge Daten ist auf den Zug aufgesprungen und fordert von kommunalen Hausverwaltungen bis zum Privatvermieter dieselbe Maßnahme. Sie empfiehlt Mietern zudem nach Abmahnung ihrer Vermieter pauschalen Schadenersatz in der Höhe von 1000 Euro zu verlangen. Dass sich zuletzt sogar die EU-Kommission zu Wort gemeldet und klargestellt hat, dass aus der DSGVO keine Pflicht zur Entfernung von Namen an Klingeln und Postkästen folgt, kann die eingetretene Verwirrung nicht ungeschehen machen. Daher ein Versuch, einen der ersten DSGVO-Aufreger zu versachlichen.
Erlaubtes kaum verändert
Tatsächlich haben sich die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten mit der DSGVO im Vergleich zum früheren Datenschutzgesetz (DSG 2000) kaum geändert. Was früher zulässig war, ist es bis auf wenige Ausnahmen bzw. Sonderfälle auch heute. Hinsichtlich der Verwendung von Nachnamen zur öffentlichen Kennzeichnung von Bewohnern konkreter Wohnungen kamen und kommen daher in der Praxis in der richtigen Reihenfolge a) lebenswichtige Interessen des Betroffenen, b) berechtigte Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten oder als letzte Bastion, wenn sonst nichts greift, c) Einwilligungen infrage.
In der aktuellen Diskussion wurde zuletzt jedoch nur die Einwilligung von Mietern thematisiert. Diese rechtfertigt zwar tatsächlich die Anbringung personenbezogener Türschilder, aber sie muss nicht unbedingt neu eingeholt werden: Bei bestehenden Namensschildern kann dann von einer nach dem DSG 2000 und auch nach der DSGVO weiter gül- tigen Zustimmung ausgegangen werden, wenn der Mieter bei der Einholung der historischen Zustimmung ausreichend informiert und die Zustimmung freiwillig erteilt wurde. Diesfalls kann der Vermieter mit guten Gründen auf das Weiterbestehen der Zustimmung vertrauen. Die nachträgliche Entfernung aller Schilder ist daher nicht per se gefordert. Beruft sich der Vermieter auf eine bestehende Zustimmung als Rechtfertigung, muss er allerdings in Einzelfällen – wie dem in der Berichterstattung genannten Anlassfall einer Mieterbeschwerde – eine Beseitigung des konkreten Namensschildes veranlassen.
Wie viele Mieter das wirklich fordern werden, ist fraglich. Es zeigt sich in der Praxis, dass viele Bewohner ein vitales gegenläufiges (Eigen-)Interesse an einer tatsächlichen Kennzeichnung haben. In der Verwaltungspraxis war oft das verspätete Anbringen von Türschildern durch Hausverwaltungen ein Beschwerdepunkt von Mietern, nicht ihre Entfernung.
Einsatzkräfte auf der Suche
Im öffentlichen Diskurs untergegangen ist bisher die Prüfung der Frage, ob eine Einwilligung tatsächlich auch zwingend erforderlich ist oder die Verarbeitung nicht auch sinnvoll(er) auf andere Rechtsgrundlagen des Art 6 DSGVO gestützt werden kann: So ist einerseits das potenzielle Vorliegen lebenswichtiger Interessen eines betroffenen Mieters in Ausnahmefällen denkbar, wenn Einsatzkräfte im Ernstfall die richtige Wohnung suchen. In Notsituationen haben diese oft nur den Namen des Betroffenen und keine exakte Tür- oder Topnummer. Hier könnte das Entfernen von Namen also zu einem gravierenden Nachteil für den Betroffenen führen. Daneben gibt es aber auch weniger dramatische berechtigte Interessen von Dritten und dem Mieter: Neben Paketzustellern und sonstigen Dienstleistern haben auch Gerichtsvollzieher und die Justiz Interesse an einer ordnungsgemäßen Kennzeichnung von Wohnungen in Mehrparteienhäusern. Ge- rade in Gemeindebauten mit vielen Stiegen und Türnummern scheitert die Zustellung häufig an unvollständigen Adressangaben oder Zahlendrehern. Hier hilft ein Klarname gegen Verwechslungen oder erfolglose Zustellungen.
Stellt man all dem das Geheimhaltungsinteresse eines Mieters an der oft bereits seit Jahren veröffentlichten Information, dass sein Name mit einem bestimmten Wohnort verknüpft ist, gegenüber, so schlägt dies wohl regelmäßig zugunsten der Dritten aus. Dafür spricht auch, dass die Meldedaten bereits in einem öffentlichen, für jeden frei zugänglichen Register veröffentlicht sind. Jeder kann bei Meldebehörden mit einem formlosen Antrag den Wohnsitz einer anderen Person ausheben lassen.
Auskünfte aus Melderegister
Für echte Härtefälle wie den von der Arge Daten genannten Kriminalbeamten oder Stalkingopfer wird aber „aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben“, ein Widerspruchsrecht nach Art 21 Abs 1 DSGVO bestehen. Dies ist parallel im Meldewesen mittels Sperre von Auskünften aus dem Melderegister umsetzbar. Der Gesetzgeber hat also für den Anlassfall bereits eine nachvollziehbare generelle Regelung gefunden, die auf das Türschildproblem umlegbar ist: Im Umkehrschluss kann davon ausgegangen werden, dass bei Personen ohne beantragte Auskunftssperre keine besondere Situation vorliegt, die gegenläufige Interessen begründet.
Eine pauschale Entfernung sämtlicher Namensschilder ohne konkrete Forderung des Betroffenen ist unseres Erachtens schon allein aus der Parallelwertung des Meldegesetzes gesetzlich nicht geboten – sofern sich der Vermieter auf überwiegende berechtigte Interessen stützt. Wählt er dagegen eine Zustimmung als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten, so muss er den Betroffenen das Widerspruchsrecht gewähren. Eine präventive Entfernung aller Namensschilder ist aber weder gefordert noch zielführend.
Jedenfalls überschießend ist die Forderung eines pauschalierten Schadenersatzes. Die Höhe eines Ersatzes soll sich bei immateriellen Schäden an der Genugtuungs- und Abschreckungsfunktion des Schmerzengeldes orientieren. Der Abschreckungsfaktor ist im österreichischen Schadenersatzrecht aber nicht wirklich ausgeprägt; und bei seit Jahren bestehenden Kennzeichnungen durch ein Namensschild ist kein echter Schaden denkbar.
Alles in allem war die vorliegende Debatte alles andere als der Datenschutzsache dienlich. Die überschießende Reaktion und Geltendmachung von Ansprüchen führt – man muss sich nur durch diverse Foren klicken – zu großem Unverständnis bei den Betroffenen. Dadurch geht leider aber auch der Fokus auf die zahlreichen berechtigten und gewichtigen Themen des neuen Datenschutzrechts verloren.