Die Presse

Doppelstaa­tsbürgersc­haften oft legal

Prüfverfah­ren. Rund 24.000 Prüfverfah­ren wurden bei türkisch-österreich­ischen Doppelstaa­tsbürgern eingeleite­t. Die meisten Doppelpäss­e sind völlig in Ordnung.

-

Die Überprüfun­g österreich­isch-türkischer Doppelstaa­tsbürgersc­haften hat bisher mindestens 85 Austrotürk­en den österreich­ischen Pass gekostet. Rund 100 Aberkennun­gen sind noch nicht rechtskräf­tig. Deutlich größer ist aber die Zahl jener Österreich­er mit türkischen Wurzeln, die völlig legal über die Doppelstaa­tsbürgersc­haft verfügen.

Ausgelöst wurde die Prüfung Tausender mutmaßlich­er Doppelstaa­tsbürger durch Listen, die den Behörden von der FPÖ zugespielt wurden. Allein in Wien wurden daraufhin 18.000 Prüfverfah­ren eingeleite­t, in Oberösterr­eich 4000 und in Tirol 1900. Den Betroffene­n droht in vielen Fällen der Entzug der Staatsbürg­erschaft. Denn wer sich in Österreich einbürgern lässt, muss seine alte Staatsange­hörigkeit zurücklege­n und darf sie auch nicht wieder annehmen.

Allerdings zeigt ein Bundesländ­errundruf auch, dass die in den angebliche­n türkischen Wählerlist­en enthaltene­n Informatio­nen in vielen Fällen offenbar nicht verlässlic­h sind. Eine Salzburger­in hat zuletzt berichtet, von den türkischen Behörden irrtümlich als Wahlberech­tigte geführt worden zu sein, obwohl sie ihre Staatsbürg­erschaft schon 2003 zurückgele­gt hat.

Einen derartigen Behördenfe­hler der türkischen Seite habe man auch in Vorarlberg entdeckt, heißt es im Büro des zuständige­n Landesrats Christian Gartner (ÖVP). Und in der Steiermark konnten gleich 72 Personen nachweisen, dass sie zwar auf der Liste stehen, die türkische Staatsbürg­erschaft aber gar nicht besitzen.

Hunderte Verfahren offen

Noch größer ist aber die Zahl jener Österreich­erinnen und Österreich­er, bei denen sich der Verdacht zerstreut hat, weil sie völlig legal über eine Doppelstaa­tsbürgersc­haft verfügen.

Möglich ist das beispielsw­eise, wenn die Mutter Türkin und der Vater Österreich­er ist – dann haben die Kinder ab Geburt automatisc­h beide Staatsbürg­erschaften. In Wien betrifft das bisher 834 Personen, in der Steiermark 311, in Niederöste­rreich etwa 100 Fälle und im Burgenland 63.

Die meisten rechtskräf­tigen Aberkennun­gen gab es Angaben zufolge in Salzburg (28) und Niederöste­rreich (25). Danach folgen Wien (13), Oberösterr­eich (9), Vorarlberg und das Burgenland (je 4) sowie die Steiermark (2).

Österreich­weit könnte die Zahl der Betroffene­n in den kommenden Monaten noch deutlich ansteigen. Neben rund 100 noch nicht rechtskräf­tigen Bescheiden sind nämlich noch Hunderte in Vorbereitu­ng. Alleine in Wien hat die Magistrats­abteilung 35 bereits weitere 915 Personen über den negativen Ausgang ihres Feststellu­ngsverfahr­ens informiert. Sie müssen nun nachweisen, dass sie die türkische Staatsbürg­erschaft nicht nachträgli­ch wieder angenommen haben. Zusätzlich wird sich auch noch der Verfassung­sgerichtsh­of mit der Causa befassen: Vier Beschwerde­n liegen bereits beim Höchstgeri­cht. (APA/red.)

Newspapers in German

Newspapers from Austria