Was die Kassenreform wirklich bringt
Sozialversicherungen. Die Reformpläne werden heftig kritisiert. Nicht nur, weil sie verfassungswidrig sein sollen, sondern auch, weil das angekündigte Sparvolumen bezweifelt wird.
Nach der heftigen Kritik des Rechnungshofs am Gesetzesentwurf zur Zusammenlegung der Krankenkassen stellt sich die Frage: Welche finanziellen Auswirkungen haben die Regierungspläne tatsächlich?
Eine Milliarde Einsparung?
Die Regierungsspitze hat bei der Präsentation der Pläne von Einsparungen von einer Milliarde Euro bis zum Jahr 2023 gesprochen. Aufgeschlüsselt wurde diese Rechnung aber nie. Aus dem So-
DIE ZUSAMMENLEGUNG
Die geplante Reform. Die neun Gebietskrankenkassen sollen in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) aufgehen. Dazu kommen eine gemeinsame Kasse für Selbstständige und Bauern sowie ein Träger für den öffentlichen Dienst, Eisenbahn und Bergbau. Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) bleibt bestehen, wird aber abgespeckt. Die GKKs warnen vor der Aushöhlung der Selbstverwaltung. zialministerium heißt es, diese Zahl beziehe sich auf die Studie der London School of Economics, die im Vorjahr vom damaligen Sozialminister, Alois Stöger, präsentiert wurde. In dieser Studie heißt es, dass bei Steigerung der Effizienz ein Sparpotenzial von 692 bis 845 Millionen Euro im Jahr vorhanden wäre.
In den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf ist davon aber keine Rede. Dort wird die Auswirkung der Reform in den Jahren 2019 bis 2022 mit null angegeben, 2023 soll es erstmals Einsparungen von 33 Mio. Euro geben. Diese steigern sich bis 2026 auf 144 Mio. Ausgegangen wird dabei von einer linearen Einsparung im Personalund Sachaufwand von zehn Prozent. Dem Rechnungshof ist das zu wenig an Information: Es sei nicht klar, wie man zu den 33 Mio. Euro komme. Außerdem würden die zu erwartenden Mehrkosten verschwiegen. Und diese können durchaus beträchtlich sein: Die Fusion der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und der Angestellten im Jahr 2003 kostete laut Rechnungshof-Bericht 114,8 Mio. Euro. Experten aus der Sozialversicherung gehen diesmal von Fusionskosten von rund 500 Mio. Euro aus.
Die Funktionärsmilliarde
Die von der Regierungsspitze versprochene „Funktionärsmilliarde“existiert schlicht und einfach nicht. Die rund tausend Funktionäre in den 21 Sozialversicherungsanstalten kosten 5,3 Mio. Euro im Jahr. Spitzenfunktionäre, wie der Vorsitzende des Hauptverbandes, erhalten rund 4000 Euro im Monat, der Großteil der Funktionäre bekommt lediglich Sitzungsgelder.
Eine Milliarde weniger?
Während die Regierung eine Milliarde Euro an Einsparungen verspricht, beklagen die Kassen, dass sie bis zum Jahr 2023 mehr als eine Milliarde weniger zur Verfügung haben werden. Rund 900 Mio. Euro verliert die AUVA durch die Senkung der Beiträge, wovon einen guten Teil, rund 300 Mio. Euro, die Krankenkassen tragen müssen. Außerdem sinken die Ausgleichszahlungen des Finanzministeriums für den fehlenden Vorsteuerabzug (minus 132 Mio. Euro), und die Privatspitäler erhalten aus den Mitteln der Krankenkassen 53 Mio. Euro zusätzlich.
Viele Milliarden?
Die Zusammenlegung von Krankenkassen birgt zweifellos ein Einsparungspotenzial in der Verwaltung, auch wenn es mit Sicherheit nicht im Milliardenbereich anzusiedeln ist. Das wäre bei offiziell ausgewiesenen 492 Mio. Euro an Verwaltungskosten auch schwer möglich. Wirkliche Effizienzsteigerungen wären – so sind sich alle Experten einig – durch eine Bündelung der Kompetenzen möglich. Das Problem ist nicht in erster Linie, dass es in jedem Bundesland eine Gebietskrankenkasse gibt, sondern, dass für Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, Pflege und Arbeitsunfälle unterschiedliche Stellen zuständig sind – die bestrebt sind, die Kosten in den jeweils anderen Bereich zu verschieben. Daran ändert auch die Zusammenlegung von Kassen nichts.