Was der Brexit für Inhaber von Marken bedeutet
Schutzrecht. Bestehende Registrierungen können vermutlich über den Austritt der Briten hinaus ungeschmälert behalten werden.
„No Brexit“, „Soft Brexit“, „Hard Brexit“oder jüngst sogar „No Deal Brexit“als durchaus realistische Option: Die Spekulationen darüber, wie das Gefüge zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU nach dem magischen Datum 29. März 2019 (dem „B-Day“) sein wird, reißen nicht ab. Grundsätzlich ist wohl für alle Beteiligten zu hoffen, dass der Brexit – wenn er denn schon stattfinden muss – zumindest in geordneten Bahnen verlaufen wird. Dafür wird es aber einer Vereinbarung zwischen der EU und dem austrittswilligen Königreich bedürfen.
Für den Fall, dass eine solche Vereinbarung möglicherweise gar nicht zustande kommt, sollten Unternehmen vorbereitet sein – die Entwicklungen der letzten Wochen lassen ein „No Deal“-Szenario jedenfalls nicht unrealistisch erscheinen. Auch nach dem jüngsten EU-Gipfel scheint alles offen.
Nun liegt es etwa für eine als britische „Limited“eingetragene Gesellschaft durchaus nahe, sich frühzeitig Gedanken zu machen, welche Auswirkungen welches Brexit-Szenario auf ihre Geschäftstätigkeit im kommenden Jahr haben könnte. Deutlich breiter in der nationalen Unternehmerlandschaft verankert sind aber die Auswirkungen, die der Brexit auf EUweit registrierte Immaterialgüterrechte haben könnte, insbesondere dann, wenn es zu keinem (durch Vereinbarung) geregelten Ausstieg der Briten kommen sollte.
So sind registrierte EU-Marken derzeit durch eine einzige Registrierung in der gesamten EU geschützt. Zahlreiche auch kleinere und mittlere Unternehmen haben dieses relativ günstige und einfache Instrument zur Erlangung eines umfassenden EU-weiten Markenschutzes genutzt. Dieses Schutzrecht erstreckt sich auf Basis einer einzigen Registrierung einheitlich auf die gesamte EU. Was passiert nun aber, wenn die Briten den territorialen Verbund, auf den sich dieses Schutzrecht erstreckt, verlassen? Was sollte es das Königreich kümmern, dass im spanischen Alicante (dort sitzt das EUAmt für Geistiges Eigentum) eine Marke EU-weit registriert ist?
Vorweg zur Beruhigung: Die Vergangenheit zeigt, dass in solchen Situationen aus einem Verband ausscheidende Staaten in der Regel Möglichkeiten schaffen, wonach Markeninhaber ihre bestehenden Markenregistrierungen innerhalb einer bestimmten Frist prioritätswahrend neu anmelden oder revalidieren können (so geschehen etwa im Zuge des Zerfalls von Jugoslawien). Letztendlich ist es aber Großbritannien überlassen, entsprechende gesetzliche Vorkehrungen zu treffen. Der Konsens in der Fachwelt geht derzeit dahin, dass das Vereinigte Königreich eine solche Option auch tatsächlich rechtzeitig schaffen wird – und zwar ungeachtet dessen, ob eine Einigung mit der EU zustande kommt oder nicht. Was würde die derzeit wahrscheinliche Umsetzung konkret für Inhaber von EUMarken bedeuten? Bereits registrierte EU-Marken sollen in Großbritannien weiterhin geschützt bleiben. Dies soll durch ein „Klonen“sämtlicher aufrechter EU-Markenregistrierungen in Form nationaler UK-Markenregist- rierungen erfolgen. Dieser Vorgang soll sogar (anders als im Kosovo) automatisch und unentgeltlich für Markeninhaber erfolgen. Somit wird jeder Inhaber einer zum B-Day aufrechten EU-Markenregistrierung künftig auch Inhaber einer nationalen UK-Markenregistrierung sein, sofern er nicht dagegen optiert hat. Nicht erfasst sind aber zu diesem Zeitpunkt noch anhängige EU-Markenanmeldungen sowie internationale Registrierungen, die Schutz in der EU beanspruchen. Für eine Weitergeltung internationaler Registrierungen im Vereinigten Königreich ist eine gesonderte Vereinbarung zwischen UK und der World Intellectual Property Organization erforderlich. Es bleibt zu hoffen, dass eine solche rechtzeitig abgeschlossen werden kann, um auch hier eine möglichst einfache Weitergeltung zu ermöglichen. Inhaber internationaler Registrierungen sollten die Situation daher jedenfalls beobachten. Bei Neuanmeldungen internationaler Registrierungen sollte neben der EU allenfalls bereits jetzt UK-Schutz beansprucht werden, insbesondere dann, wenn für die Marke der britische Markt besonders relevant ist. Anhängige EU-Markenanmeldungen werden nicht automatisch in nationale britische Anmeldungen übernommen. Wer Inhaber einer zum 29. März 2019 noch anhängigen EU-Markenanmeldung ist und innerhalb von neun Monaten eine identische UK-Markenanmeldung einreicht, soll sich aber auf das Anmelde- bzw. Prioritätsdatum der zuvor angemeldeten EU-Marke berufen können (es wird also so getan, als wäre die Marke gleichzeitig mit der Anmeldung in der EU auch in Großbritannien angemeldet worden). Hier müssen Unionsmarkenanmelder also aktiv werden, wenn sie Markenschutz auch in Großbritannien erhalten wollen. Steht aktuell eine Anmeldung für eine Marke an, für die das Vereinigte Königreich ein besonders relevanter Markt ist, so wäre zu erwägen, diese Anmeldung gleich vorzunehmen, um sich ein nachgelagertes Neuanmeldungsverfahren zu ersparen. Wie der Brexit auf anhängige Verfahren wirken wird, ist in vielen Aspekten noch unklar. Klar ist aber, dass künftig EU-weite Unterlas- sungsklagen (eine große Errungenschaft des EU-Markensystems) das Vereinigte Königreich nicht mehr erfassen werden. Ob frühere Entscheidungen dort weiter gelten, ist hingegen ebenso offen wie die Frage, was mit im Vereinigten Königreich zum Austrittszeitpunkt anhängigen, auf EU-Marken gestützten Verfahren geschehen soll. Markenrechtliche Vereinbarungen, etwa Lizenzvereinbarungen oder Abgrenzungsvereinbarungen, die Regelungen für das Territorium der EU treffen, sollten daraufhin überprüft werden, ob eine Weitergeltung in UK nach dem Brexit vorgesehen oder gewünscht ist. Gegebenenfalls sind Vereinbarungen einvernehmlich anzupassen.
Ergebnis für Markeninhaber: Grund zur Panik besteht keiner, die Entwicklungen sollten aber genau beobachtet werden. In Einzelfällen könnte vor oder allenfalls kurz nach dem B-Day Handlungsbedarf bestehen. Laufende Verfahren, vergangene Entscheidungen und bestehende Vereinbarungen im Markenbereich sollten auf mögliche Problemfelder geprüft werden.