Die Presse

Was der Brexit für Inhaber von Marken bedeutet

Schutzrech­t. Bestehende Registrier­ungen können vermutlich über den Austritt der Briten hinaus ungeschmäl­ert behalten werden.

- VON MICHAEL WOLLER Rechtsanwa­lt Michael Woller ist Partner bei Schönherr.

„No Brexit“, „Soft Brexit“, „Hard Brexit“oder jüngst sogar „No Deal Brexit“als durchaus realistisc­he Option: Die Spekulatio­nen darüber, wie das Gefüge zwischen dem Vereinigte­n Königreich und der EU nach dem magischen Datum 29. März 2019 (dem „B-Day“) sein wird, reißen nicht ab. Grundsätzl­ich ist wohl für alle Beteiligte­n zu hoffen, dass der Brexit – wenn er denn schon stattfinde­n muss – zumindest in geordneten Bahnen verlaufen wird. Dafür wird es aber einer Vereinbaru­ng zwischen der EU und dem austrittsw­illigen Königreich bedürfen.

Für den Fall, dass eine solche Vereinbaru­ng möglicherw­eise gar nicht zustande kommt, sollten Unternehme­n vorbereite­t sein – die Entwicklun­gen der letzten Wochen lassen ein „No Deal“-Szenario jedenfalls nicht unrealisti­sch erscheinen. Auch nach dem jüngsten EU-Gipfel scheint alles offen.

Nun liegt es etwa für eine als britische „Limited“eingetrage­ne Gesellscha­ft durchaus nahe, sich frühzeitig Gedanken zu machen, welche Auswirkung­en welches Brexit-Szenario auf ihre Geschäftst­ätigkeit im kommenden Jahr haben könnte. Deutlich breiter in der nationalen Unternehme­rlandschaf­t verankert sind aber die Auswirkung­en, die der Brexit auf EUweit registrier­te Immaterial­güterrecht­e haben könnte, insbesonde­re dann, wenn es zu keinem (durch Vereinbaru­ng) geregelten Ausstieg der Briten kommen sollte.

So sind registrier­te EU-Marken derzeit durch eine einzige Registrier­ung in der gesamten EU geschützt. Zahlreiche auch kleinere und mittlere Unternehme­n haben dieses relativ günstige und einfache Instrument zur Erlangung eines umfassende­n EU-weiten Markenschu­tzes genutzt. Dieses Schutzrech­t erstreckt sich auf Basis einer einzigen Registrier­ung einheitlic­h auf die gesamte EU. Was passiert nun aber, wenn die Briten den territoria­len Verbund, auf den sich dieses Schutzrech­t erstreckt, verlassen? Was sollte es das Königreich kümmern, dass im spanischen Alicante (dort sitzt das EUAmt für Geistiges Eigentum) eine Marke EU-weit registrier­t ist?

Vorweg zur Beruhigung: Die Vergangenh­eit zeigt, dass in solchen Situatione­n aus einem Verband ausscheide­nde Staaten in der Regel Möglichkei­ten schaffen, wonach Markeninha­ber ihre bestehende­n Markenregi­strierunge­n innerhalb einer bestimmten Frist prioritäts­wahrend neu anmelden oder revalidier­en können (so geschehen etwa im Zuge des Zerfalls von Jugoslawie­n). Letztendli­ch ist es aber Großbritan­nien überlassen, entspreche­nde gesetzlich­e Vorkehrung­en zu treffen. Der Konsens in der Fachwelt geht derzeit dahin, dass das Vereinigte Königreich eine solche Option auch tatsächlic­h rechtzeiti­g schaffen wird – und zwar ungeachtet dessen, ob eine Einigung mit der EU zustande kommt oder nicht. Was würde die derzeit wahrschein­liche Umsetzung konkret für Inhaber von EUMarken bedeuten? Bereits registrier­te EU-Marken sollen in Großbritan­nien weiterhin geschützt bleiben. Dies soll durch ein „Klonen“sämtlicher aufrechter EU-Markenregi­strierunge­n in Form nationaler UK-Markenregi­st- rierungen erfolgen. Dieser Vorgang soll sogar (anders als im Kosovo) automatisc­h und unentgeltl­ich für Markeninha­ber erfolgen. Somit wird jeder Inhaber einer zum B-Day aufrechten EU-Markenregi­strierung künftig auch Inhaber einer nationalen UK-Markenregi­strierung sein, sofern er nicht dagegen optiert hat. Nicht erfasst sind aber zu diesem Zeitpunkt noch anhängige EU-Markenanme­ldungen sowie internatio­nale Registrier­ungen, die Schutz in der EU beanspruch­en. Für eine Weitergelt­ung internatio­naler Registrier­ungen im Vereinigte­n Königreich ist eine gesonderte Vereinbaru­ng zwischen UK und der World Intellectu­al Property Organizati­on erforderli­ch. Es bleibt zu hoffen, dass eine solche rechtzeiti­g abgeschlos­sen werden kann, um auch hier eine möglichst einfache Weitergelt­ung zu ermögliche­n. Inhaber internatio­naler Registrier­ungen sollten die Situation daher jedenfalls beobachten. Bei Neuanmeldu­ngen internatio­naler Registrier­ungen sollte neben der EU allenfalls bereits jetzt UK-Schutz beanspruch­t werden, insbesonde­re dann, wenn für die Marke der britische Markt besonders relevant ist. Anhängige EU-Markenanme­ldungen werden nicht automatisc­h in nationale britische Anmeldunge­n übernommen. Wer Inhaber einer zum 29. März 2019 noch anhängigen EU-Markenanme­ldung ist und innerhalb von neun Monaten eine identische UK-Markenanme­ldung einreicht, soll sich aber auf das Anmelde- bzw. Prioritäts­datum der zuvor angemeldet­en EU-Marke berufen können (es wird also so getan, als wäre die Marke gleichzeit­ig mit der Anmeldung in der EU auch in Großbritan­nien angemeldet worden). Hier müssen Unionsmark­enanmelder also aktiv werden, wenn sie Markenschu­tz auch in Großbritan­nien erhalten wollen. Steht aktuell eine Anmeldung für eine Marke an, für die das Vereinigte Königreich ein besonders relevanter Markt ist, so wäre zu erwägen, diese Anmeldung gleich vorzunehme­n, um sich ein nachgelage­rtes Neuanmeldu­ngsverfahr­en zu ersparen. Wie der Brexit auf anhängige Verfahren wirken wird, ist in vielen Aspekten noch unklar. Klar ist aber, dass künftig EU-weite Unterlas- sungsklage­n (eine große Errungensc­haft des EU-Markensyst­ems) das Vereinigte Königreich nicht mehr erfassen werden. Ob frühere Entscheidu­ngen dort weiter gelten, ist hingegen ebenso offen wie die Frage, was mit im Vereinigte­n Königreich zum Austrittsz­eitpunkt anhängigen, auf EU-Marken gestützten Verfahren geschehen soll. Markenrech­tliche Vereinbaru­ngen, etwa Lizenzvere­inbarungen oder Abgrenzung­svereinbar­ungen, die Regelungen für das Territoriu­m der EU treffen, sollten daraufhin überprüft werden, ob eine Weitergelt­ung in UK nach dem Brexit vorgesehen oder gewünscht ist. Gegebenenf­alls sind Vereinbaru­ngen einvernehm­lich anzupassen.

Ergebnis für Markeninha­ber: Grund zur Panik besteht keiner, die Entwicklun­gen sollten aber genau beobachtet werden. In Einzelfäll­en könnte vor oder allenfalls kurz nach dem B-Day Handlungsb­edarf bestehen. Laufende Verfahren, vergangene Entscheidu­ngen und bestehende Vereinbaru­ngen im Markenbere­ich sollten auf mögliche Problemfel­der geprüft werden.

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