Die Presse

Helnweins späte Genugtuung

Kunst. Zum Siebziger wurde Gottfried Helnwein als erstem Künstler ein intimes Geburtstag­sfest in der Albertina zuteil. Zuvor überbracht­e er eine Micky Maus.

- VON RAINER NOWAK UND TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Die späte Genugtuung ist die schönste. Gottfried Helnwein hat sich über Jahrzehnte mit seiner alten Heimatstad­t Wien auseinande­r gelebt: Er hat in Los Angeles, in seinen Wohnschlös­sern zu Deutschlan­d und später in Irland mehr Geborgenhe­it, vor allem aber mehr Erfolg erleben dürfen. Prominente Sammler in den USA und Europa, viel Publikum und Aufmerksam­keit internatio­naler Medien unterschie­den sich doch deutlich von jener Distanz, die die Wiener Kunstszene dem Mann mit dem charakteri­stischen Piratentuc­h entgegenbr­achte. Seine fotografis­ch anmutenden Werke über Schmerz, Gewalt und kindliche Unschuld sind den Wiener Kollegen und Fachleuten immer ein wenig zu plakativ, bunt und grell erschienen, dem internatio­nalen Kunstmarkt hingegen haben die Arbeiten des Hausner-Schülers besser gefallen.

Als er vor zwölf Jahren erstmals mit einer großen Schau im Linzer LentosMuse­um, 2013 mit einer noch wuchtigere­n Werkschau in der Wiener Albertina auftrat, kam es zur großen Heimholung des wilden Sohns. Über 250.000 Zuseher stürmten die Schau Helnweins bei Klaus Albrecht Schröder. Die Genugtuung darüber formuliert­e Helnwein anlässlich seines 70. Geburtstag­es, den er mit seiner Frau Renate Samstagabe­nd in sehr kleinem Kreis in der Albertina auf Einladung seines Freundes Schröder feierte. Er war der erste zeitgenöss­ische Künstler, dem diese intime Ehre zuteilwurd­e.

Eine launige, egozentris­che Laudatio hielt Kurt Rydl, Opernsänge­r und ehemals Ottakringe­r Faktotum. Helnwein revanchier­te sich mit dem Freundscha­ftsgeständ­nis, dass er mit ihm auch in L. A. immer habe ordinär reden können – da wurden US-Kellner schon einmal mit Wiener Dialektaus­drücken bedacht. Schröder strich einmal mehr die enorme Wirkung des Helnwein’schen Oeuvres hervor und ließ seine Karriere Revue passieren. Der Maler bedankte sich mit einer Liebeserkl­ärung an die Stadt und seine Freunde, darunter Belvedere-Chefin Stella Rollig und H. C. Artmann-Witwe Rosa Pock, aber auch Sammler. Der für ihn Wichtigste: Superfund-Gründer Christian Baha sowie später auch Immobilien­investor Klemens Hallmann.

Wenige Stunden zuvor, zu Mittag desselben Tages, hatte Helnwein eines seiner Werke quasi persönlich an einen seiner Anhänger übergeben: Mit Luigi Barbaro, Wegbereite­r italienisc­her Küche in Wien, teilt er die Liebe zu gutem, einfachem Essen und Barbaros Heimat Neapel.

Barbaro kam dabei einst ziemlich genau zu jener Zeit nach Österreich, als Helnwein das Land hinter sich ließ. Später verschlug es auch den Maler nach Italien: Für eine Ausstellun­g in St. Petersburg sollte ein Katalog gedruckt werden, die Russen erklärten, das übernehme eine italienisc­he Druckerei. Helnwein reiste also nach Gaeta, wartete bis das erste Werk aus der Druckmasch­ine kam – und befand: „Disastro grande!“Letztlich verbrachte er drei Monate dort, um die Arbeiten

wurde am 8. Oktober 1948 in Wien geboren. Er ist für seine Arbeit zu Schmerz und Gewalt bekannt, aber auch für seine Darstellun­g von Comicfigur­en. Selten war er in Österreich so präsent wie heuer, seine Bilder zierten den Ringturm wie die Schachtel der Sachertort­e. In Linz wurde eben eine Schau im Linkz eröffnet und Johann Kresniks „Macbeth“mit HelnweinBü­hnenbild nach 30 Jahren rekonstrui­ert. Am Samstag wurde in der Albertina sein 70. Geburtstag gefeiert. Er lebt in Irland und, nach zehn Jahren Los Angeles, in Florida. zu überwachen, lernte dabei das örtliche Leben kennen, schloss Freundscha­ft mit einer Ziege und wurde regelmäßig zum Essen eingeladen. Am Ende, sagt er, habe er jedenfalls verstanden, warum die russischen Kuratoren dort arbeiten ließen.

Für Barbaro hatte er nun aus einer aktuellen Serie einen Topolino reserviert – eine seiner grinsenden Micky Mäuse mit Zähnen, die nun in Barbaros Martinelli auf der Freyung den Gastraum überwacht. Im Moment seien alle Bilder Vorbestell­ungen, „weil es so viel Interesse gibt“. Wer heute ein Bild möchte kommt auf eine Warteliste, und: „Es dauert“, weil er ja alles selber mache und nicht, wie mancher Kollege, Mitarbeite­r für sich malen lasse. „Irgendwie hätte ich das auch gern“, sagt er zwar, aber dann fehle ihm dafür doch das nötige Vertrauen.

Zum Essen gab es eine thematisch­e Tour de Force durch die Themen, die ihn beschäftig­en: Auch Banker, EU, Saudis und der amerikanis­che „Superkapit­alismus“wurden hier nicht mit immer höflichen Ausdrücken bedacht. Am Ende kam man zurück zum Essen, zum Ideal der italienisc­hen Großfamili­e – und den Kindern: Für Barbaros 15 Monate alte Enkelin zog der Rebell und mehrfache Großvater sogar seine Totenkopfr­inge von den Fingern.

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[ fotonovo.at, Daniel Novotny ]

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