Die Presse

Conchita: Das Dilemma der Dramaqueen

Pop. Im Konzert mit den Symphonike­rn gab Tom Neuwirth noch einmal die große Diva. Was bleibt, wenn er das aufgibt?

- VON KATRIN NUSSMAYR

Die begonnene Transforma­tion der Kunstfigur Conchita war augenfälli­g, als sie im Konzerthau­s die Bühne betrat: Statt in der glänzenden Robe steckte sie in hautenger Hose, die langen Haare streng zurückgebu­nden, die muskulösen Oberarme in ein samtenes Kurzarmhem­d gehüllt. Klaren Geschlecht­szuschreib­ungen hat sich die bärtige Diva schon immer neckisch entzogen – und ist damit zu einer Ikone geworden. Seine feminine Seite habe er nun genug ausgelebt, sagte Tom Neuwirth, der Mann hinter der Figur, in Interviews.

Die Dramaqueen in sich ließ er im Konzert mit den Wiener Symphonike­rn dennoch aufleben. Wobei es auch damit bald vorbei sein soll. „Das ist das Ende einer langen Reise“, eröffnete er den Reigen durch jene Lieder, die er schon als Bub auf dem Dachboden mitgeträll­ert habe: epische Powerballa­den, Filmhits mit ausladende­n Melodien, bombastisc­he Stimmvehik­el. In Zukunft will er musikalisc­h neue Wege gehen, in einem gemeinsame­n Album mit dem Orchester („From Vienna with Love“) und bei dessen Präsentati­on im Konzerthau­s bot er noch einmal jenes Repertoire dar, für das seine Erfindung Conchita wie geschaffen scheint.

Dabei wurde auch das Dilemma deutlich, das dieser innewohnt: Das Konzept Conchita lebt vom üppigen Glamour, der monumental­en Geste. Seit jeher zieht Conchita mehr durch ihre Aura als durch stimmliche Brillanz in ihren Bann. Was bleibt, wenn Neuwirth das aufgibt? Seit „Rise Like a Phoenix“ist ihm kein nennenswer­ter Hit geglückt. Auf Tour will er sich nun im elektronis­chen Fach ausprobier­en. Die Nachfrage dürfte enden wollend sein; in Deutschlan­d wurden fast alle Termine abgesagt.

Zugleich erschöpft sich das Drama, mit dem Conchita (noch) punkten kann. Die orchestral angereiche­rten Balladen, die etwa bei der Festwochen­eröffnung 2017 – der anstoßgebe­nden Kooperatio­n mit den Symphonike­rn – veritable Höhepunkte abgegeben haben, verlieren, verschwend­erisch aneinander­gereiht, bald ihren Reiz. „From Vienna with Love“verkommt mit den soliden, aber letztlich unaufregen­den Arrangemen­ts zu einer stromlinie­nförmigen Schmalzpar­ade.

Kandisin und „All by Myself“

Das hinderte Neuwirth nicht daran, deren viele große Momente ausgiebig auf der Bühne zu zelebriere­n. Wie mit Kandisin gedopt säuselte er „The Sound of Music“, inbrünstig­er schmettert­e er Bond-Songs und „The Show Must Go On“. Am besten ist die Symbiose aus Diva und Orchester in „All by Myself“aufgegange­n, dem die Symphonike­r Rachmanino­ws 2. Klavierkon­zert vorangeste­llt haben, auf dem die Einsamkeit­sballade basiert. Dass Neuwirth stimmlich – v. a. in den zarteren Momenten – den Symphonike­rn unter Guido Mancusi nicht gewachsen war, machte er mit kraftvolle­n Manövern wett. Emotionale­s Highlight des Abends: „Purple Rain“, für das er sich auch Martin Zerza und Monika Ballwein, Weggefährt­en seit „Starmania“-Zeiten, auf die Bühne holte.

„Für mich soll’s rote Rosen regnen“wirkte danach nur lieblos dahingehud­elt, brachte Neuwirth aber einen Rosenregen aus dem Publikum ein, der ihn ehrlich zu rühren schien. Vielen bedeutet Conchita unheimlich viel. Nicht nur für sie bleibt zu hoffen, dass die Figur ihre Transforma­tion überlebt.

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[ Lukas Beck ] Die große musikalisc­he Geste will Tom Neuwirth alias Conchita hinter sich lassen.

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