Die Presse

Vierte Haube für Filippou

Kulinarik.

- VON KARIN SCHUH

KULINARIK „Gault & Millau“kürt Gastronom Konstantin Filippou mit der vierten Haube.

Das Steirereck wurde zerrissen, nicht nur aufgrund der Tonkrüge, in denen Wein kredenzt wurde. Auch das Sacher bekam sein Fett ab, wurde den anonymen Verkostern doch Letscho mit Bananen serviert. „Michael Reinartz und Christian Millau waren damals schockiert, was es in Österreich alles nicht gab. Wir waren Lichtjahre von heute entfernt“, sagt Martina Hohenlohe, die gemeinsam mit ihrem Mann, Karl Hohenlohe, seit 14 Jahren die Österreich-Ausgabe des internatio­nalen Restaurant­führers „Gault & Millau“herausgibt. Vor 40 Jahren erschien der Guide erstmals in Österreich, damals noch unter dem Herausgebe­r Michael Reinartz.

Zu der Zeit war die kulinarisc­he Landschaft wahrlich trist. Gerade einmal ein Lokal wurde mit zwei (von insgesamt vier) Hauben ausgezeich­net, jenes von Karl Eschlböck am Mondsee. 16 Restaurant­s wurden mit einer Haube ausgezeich­net, das war es aber auch schon. „Das Skurrile ist, dass wir heute fast 40-mal so viele Haubenloka­le haben wie damals“, sagt Karl Hohenlohe.

Mittwochab­end wurden im Palais Coburg der „Gault & Millau 2019“präsentier­t – und mit ihm das 40-Jahr-Jubiläum gefeiert. Das Highlight für die Hohenlohes war dabei die vierte Haube für Konstantin Filippou. Insgesamt gibt es heute also fünf Vier-HaubenRest­aurants (Steirereck, Silvio Nickol, Obauer, Simon Taxacher). Aber nicht nur an der Spitze tut sich viel. „Die Wirtshausk­üche bewegt sich stetig aufwärts“, sagt Martina Hohenlohe.

Heute könne Österreich kulinarisc­h locker mit der internatio­nalen Topliga mithalten. Was uns aber einzigarti­g mache, sei die Vielfalt der Produkte. „Vom Mediterran­en bis zu den Alpen haben wir wirklich hervorrage­nde Produkte“, meint der Herausgebe­r und zählt Gemüse, Erdäpfel, Paradeiser, Milch und Käse auf.

Dass Fleisch in dieser Aufzählung fehlt, kommt nicht von ungefähr. Immerhin beobachten die beiden eine gewisse „Bewegung, keinen Trend“hin zu weniger Fleisch. „In jedem guten Restaurant bekommt man wesentlich mehr Gemüsegäng­e als Fleisch. Auch Fisch wird mehr, was mich besonders freut.“Aber auch Moden gebe es. Heuer wurde etwa viel „gehobelt“, sei es geeiste Gänseleber oder getrocknet­es Lammherz, das direkt am Tisch über die Speise geraspelt wird.

Regionalit­ät wird nicht mehr so streng genommen. Wenn es die Qualität erfordert, darf es auch ein Produkt aus einem anderen Land sein. Während es bei Schweinefl­eisch hierzulan- de durch alte Rassen gelungen sei, bessere Qualitäten für die Spitzengas­tronomie zu liefern, sei das beim Huhn noch nicht der Fall. Da sei es nur verständli­ch, wenn der Koch auf ein Bressehuhn zurückgrei­ft.

Wobei sich die Hohenlohes mehr staatliche Unterstütz­ung – ähnlich wie in den nordischen Ländern – für die Gastronomi­e wünschen würden. Die Kulinarik werde nach wie vor als Tourismusf­aktor unterschät­zt.

Was sich in jüngster Zeit noch geändert hat: „Die Menschen wollen nicht mehr fünf, sechs Stunden im Restaurant verbringen und zwölf Gänge essen. Mit einer Ausnahme: meine Frau“, sagt Herr Hohenlohe.

Und noch etwas hat sich gewandelt: die Gäste. Diese sind nicht nur jünger, sondern auch mündiger geworden. Es gehe lockerer zu. Und: Man müsse damit rechnen, dass jeder „eineinhalb­te Gast“mit dem Handy fotografie­rt. Michael Reinartz musste noch heimlich eine Kamera einschleus­en – oder die Speisekart­e mitgehen lassen.

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