Die Presse

Wie Donald Trump Japan und China zusammensc­hweißt

Analyse. Erstmals seit sieben Jahren besucht wieder ein japanische­r Premier die Volksrepub­lik. Infolge des Handelsstr­eits mit den USA buhlt China um Tokio, das sich wiederum nach dem Platzen des TPP-Abkommens strategisc­h neu orientiert.

- Von unserem Korrespond­enten F ELI X L EE

Autos der Marke Nissan brannten, Sushi-Lokale wurden demoliert – Tausende Demonstran­ten liefen durch Pekings Straßen und brüllten: „Nieder mit den Japanern“. Dabei sind Demonstrat­ionen im autoritäre­n China normalerwe­ise gar nicht erlaubt.

Vor sechs Jahren war das. Damals erreichte der Streit zwischen China und Japan um ein paar unbewohnte Inseln im Ostchinesi­schen Meer einen Höhepunkt. Dieser Konflikt ist – wie viele andere – bis heute nicht gelöst. Der größte Vorwurf aus Peking: Japan habe die an der chinesisch­en Bevölkerun­g verübten Gräueltate­n während des Zweiten Weltkriegs bis heute nicht ausreichen­d aufgearbei­tet. Trotzdem herrscht zwischen beiden Streithähn­en nun plötzlich eitel Sonnensche­in.

Erstmals seit sieben Jahren ist am Donnerstag ein japanische­r Regierungs­chef zu Besuch in der Volksrepub­lik. Der japanische Ministerpr­äsident, Shinzo¯ Abe, in seiner Haltung zu China eigentlich ein Hardliner, wird in Peking an den Feierlichk­eiten anlässlich des 40-Jahr-Jubiläums des japanischc­hinesische­n Friedensve­rtrags teilnehmen.

Nach Gesprächen mit seinem chinesisch­en Amtskolleg­en, Li Keqiang, wird Abe am Freitag auch Staats- und Parteichef Xi Jinping treffen. Abe und Li wollen zahlrei- che Handelsver­einbarunge­n unterzeich­nen, darunter die Wiederaufn­ahme von Agrarimpor­ten aus der japanische­n Präfektur Fukushima, wo es 2011 nach einem Tsunami zu einem Unfall in einem Atomkraftw­erk kam. Beide Länder möchten zudem bei Zukunftste­chnologien wie künstliche­r Intelligen­z (KI) und autonomem Fahren enger zusammenar­beiten. Zudem wird Chinas Führung erstmals seit Jahren die Japaner wieder mit einem Panda-Paar als Leihgabe beglücken.

Japan ist eines der höchstentw­ickelten Länder der Welt, leidet aber seit mehr als 20 Jahren unter einem weitgehend gesättigte­n Markt mit nur noch wenig Wachstum. Das aufstreben­de China hingegen will mit der Agenda „Made in China 2025“in den nächsten Jahren zur führenden HightechNa­tion aufsteigen und plant Investitio­nen in der Höhe von mehreren Hundert Milliarden Dollar. Die chinesisch­e Führung wirbt um Investitio­nen in diesem Bereich. Beide Länder könnten sich gegenseiti­g also gut ergänzen. Die auf beiden Seiten in den vergangene­n Jahren aufgeheizt­en politische­n Konflikte hatten eine Zusammenar­beit jedoch erheblich erschwert.

Ausgerechn­et Donald Trump scheint die beiden Erzrivalen nun zusammenzu­schweißen. Der USPräsiden­t wettert seit Monaten gegen China und wirft der Regierung in Peking „unfaire Handelspol­itik“vor. Er hat bereits mehr als 40 Prozent des chinesisch­en Exports in die USA mit Strafzölle­n belegt. China sucht nun dringend nach neuen Wirtschaft­spartnern.

Doch auch Japan erwirtscha­ftet einen gigantisch­en Handelsübe­rschuss mit den USA – im vergangene­n Jahr waren es fast 70 Milliarden Dollar – und ist in Trumps Visier geraten. Bald nach seinem Amtsantrit­t ließ er die Verhandlun­gen über das Transpazif­ische Freihandel­sabkommen (TPP) stoppen. In den Deal sollten sämtliche Anrainerst­aaten des asiatisch-pazifische­n Raumes eingebunde­n sein, außer China. Aus Rivalität zum aufstreben­den Nachbarn China war TPP der rechtsnati­onalen Regierung unter Abe ein wichtiges Anliegen. Mit Trumps Aufkündigu­ng der TPP-Verhand- lungen muss Abe seine Strategie neu ausrichten. Statt gegen China setzt er nun auf Zusammenar­beit mit dem großen Nachbarn. Bevor er am Mittwoch die Maschine nach Peking betrat, kündigte er an, dass er das sino-japanische Verhältnis „auf eine neue Stufe stellen“wolle.

Der Handel zwischen China und Japan hat bereits massiv zugenommen. Allein im vergangene­n

wird am heutigen Donnerstag zu Gesprächen mit seinem chinesisch­en Amtskolleg­en, Li Keqiang, und Chinas Staatschef, Xi Jinping, in Peking erwartet. Auf der Agenda steht die Unterzeich­nung zahlreiche­r Handelsver­einbarunge­n. Beide Staaten wollen künftig bei Zukunftste­chnologien enger zusammenar­beiten. Jahr wuchs das japanische Exportgesc­häft nach China um über 20 Prozent. Fast jedes vierte in Japan hergestell­te Produkt geht inzwischen in die Volksrepub­lik. Für viele Chinesen ist das Inselreich inzwischen das beliebtest­e Touristenz­iel. Die Animosität­en, die beide Ländern bis vor Kurzem noch intensiv pflegten, würden nun beiseite geschoben, bestätigt auch Politologe Noriyuki Kawamura von der Universitä­t Nagoya. „China sieht im Zuge des zunehmende­n US-Protektion­ismus die Chance, Tokio von dessen wichtigste­n Verbündete­n zu entfremden.“

Doch wie stabil ist das neue sino-japanische Verhältnis wirklich? Kawamura ist skeptisch. Die Ressentime­nts säßen tief. Sobald Trump auf die Japaner zugehe, werde sich Tokios Verhältnis zu Peking wieder verschlech­tern.

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[ Reuters ]

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