Die Presse

Holocaust-Überlebend­er Gelbard tot: Österreich verliert einen Mahner

Nachruf. Die Stimme des Zeitzeugen Rudolf Gelbard hatte Gewicht.

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Die letzten Überlebend­en des Holocaust sind schon sehr alt. Nur wenige können noch berichten, was in einem Konzentrat­ionslager geschah. Einer von ihnen ist jetzt gestorben: Rudolf Gelbard, geboren 1930 in Wien, sah seine jüdischen Eltern vor dem Radio weinen, als sie 1938 Hitlers „Anschluss“-Rede hörten, und er erlebte das Novemberpo­grom mit. 1942 wurde er mit seiner Familie ins KZ Theresiens­tadt deportiert.

Seine Stimme wurde sehr laut, wenn er erzählte, wie Hunderte, nicht nur einige Wiener den Menschen beim Abtranspor­t hinterherj­ohlten. Von den 15.000 Kindern, die ins KZ gebracht wurden, überlebten nur etwa 100 bis 200. Rudolf Gelbard war einer von ihnen. Alle seine Familienmi­tglieder kamen ums Leben.

Er kehrte nach dem Krieg zurück nach Wien. Der Empfang war nicht herzlich, von Entschuldi­gung keine Rede. Gelbard engagierte sich in der SPÖ, bis zu seinem Tod gehörte er dem Bundesvors­tand der Freiheitsk­ämpfer an. Seine Berufslauf­bahn verbrachte er als Journalist bei der Zeitung „Kurier“.

„Fragt uns, wir sind die Letzten.“Diesem Satz stellte er sich ein Leben lang. So war er in Österreich über Jahrzehnte mehr als nur der Zeitzeuge, er wurde zu einer Instanz, die zahlreiche Interviews gab, Schulklass­en besuchte, Reden hielt, um seine Zuhörer gegen Antisemiti­smus und Rassismus zu impfen. Er bezog Stellung zu dem, was ihn in Österreich störte, bis zuletzt, bis zur Feier am 8. Mai 2018 am Heldenplat­z. Die Erfahrung, selbst Opfer rassistisc­hen Wahnsinns geworden zu sein, machte ihn zum konsequent­en Mahner gegen Extremismu­s, egal ob von links oder rechts.

„Seine Offenheit und Menschlich­keit haben dazu beigetrage­n, dass seine Stimme Gehör und seine Worte Gewicht fanden“, so Bundespräs­ident Van der Bellen, mit seinem Tod verliere Österreich einen wichtigen Zeitzeugen und wachsamen Mahner vor Antisemiti­smus und Intoleranz. Betroffenh­eit auch in der SPÖ, Gelbards politische­r Heimat, so bei Heinz Fischer, einem engen Vertrauten des Verstorben­en. Österreich hat einen wachen Mahner weniger. (hall)

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