Die Presse

Der Traum von der neuen Titanic

Australien. Der Milliardär Clive Palmer will das legendäre Kreuzfahrt­schiff 2022 zum Leben erwecken. Doch schon vor der Jungfernfa­hrt ist das Projekt dem Untergang geweiht.

- VON MARLIES EDER

Clive Palmer gibt nicht auf. Das hat er in den vergangene­n Jahren mehrmals bewiesen. Und nun stellt eine der schillernd­sten Figuren Australien­s wieder einmal ihr Durchhalte­vermögen unter Beweis: Der 64-Jährige kündigte an, sein Herzenspro­jekt wiederaufz­unehmen: die Nachbildun­g der Titanic. Der Milliardär, der sein Vermögen im Minengesch­äft machte, will ein „authentisc­hes Titanic-Erlebnis“schaffen. Das Design der Titanic II mit luxuriösem Interieur, einem Ballsaal und türkischen Bädern soll an jenes des legendären Kreuzfahrt­schiffs angelehnt sein.

Auch die vier berühmten Schornstei­ne soll das Schiff erhalten – wenn es auch mit Diesel und nicht mit Kohle betrieben werden soll. 2400 Passagiere und 900 Besatzungs­mitglieder wird das Schiff auf neun Decks und in 840 Zimmern beherberge­n können. Damit wäre es auch in seinen Dimensione­n eine exakte Kopie der einst als „unsinkbar“beworbenen Schiffsleg­ende. Das größte Kreuzfahrt­schiff der Welt, wie die Original-Titanic, wird die Neuauflage allerdings nicht sein: Das derzeit größte Kreuzfahrt­schiff der Welt, die Symphony of the Seas der Reederei Royal Caribbean Internatio­nal, hat Platz für mehr als 5500 Passagiere und 2750 Kabinen.

Selbst auf ihrer Route soll die Titanic II ihrem Vorbild gleichzieh­en und Passagiere von Southampto­n in Südengland über den Atlantik nach New York bringen. Jene Strecke, auf der die RMS Titanic bei ihrer Jungfernfa­hrt am 14. April 1912 nach einer Kollision mit einem Eisberg unterging. 1515 der 2000 Menschen an Bord ertranken im Nordatlant­ik. Doch auch andere Destinatio­nen rund um den Globus soll die „Titanic des 21. Jahr- hunderts“, wie Palmer sie nennt, ansteuern. Nur untergehen darf sie nicht: Dafür sollen moderne technische Mittel und bessere Sicherheit­svorkehrun­gen als bei der Titanic sorgen.

„Millionen haben davon geträumt, auf ihr zu fahren, sie im Hafen zu sehen und ihre einzigarti­ge Majestät zu erleben. Die Titanic II wird das Schiff sein, auf dem diese Träume wahr werden“, schwärmte Palmer. 2022, 110 Jahre nach dem Untergang der originären Schöpfung der britischen Reederei White Star Line, will die australisc­he Blue Star Line das Schiff fertiggest­ellt haben.

Skeptiker können dem Enthusiasm­us Palmers aber wenig abgewinnen. Erstmals kündigte der Exzentrike­r 2012 an, die Titanic in Kooperatio­n mit einer chinesisch­en Reederei wieder zum Leben erwecken zu wollen. 500 Millionen US-Dollar wolle er aus seinem im Minengesch­äft erworbenen Privatverm­ögen in das Projekt stecken, kündigte er damals an. Doch ein Rechtsstre­it mit dem chinesisch­en Staatsunte­rnehmen Citic Pacific kam dazwischen. Seit Jahren streitet Palmers Firma Mineralogy mit der Firma, die seine Mine im Westen Australien­s betreibt, um Lizenzzahl­ungen.

Palmer ging das Geld aus. Mit waghalsige­n Spekulatio­nen auf Bodenschät­ze und Klagen arbeitete er sich wieder nach oben. Die Erfüllung seines Titanic-Traums schien wieder gesichert. „Vergessen Sie nicht, ich bin einer der wenigen Menschen, die gegen die chinesisch­e Regierung geklagt und gewonnen haben“, zeigte er sich noch im Jänner stolz, als er einen Etappensie­g in dem Prozess erreichte. „Was sie mir angetan haben, war ein Anschlag auf Australien. Glückliche­rweise war ich auserwählt, das aufzuhalte­n.“

Doch erst diese Woche überhäufte­n sich Citic und Mineralogy mit neuen Vorwürfen. Und trotz der großen Ankündigun­gen haben die Bauarbeite­n für das Schiff laut „Guardian“noch nicht begonnen. Selbst ein Hersteller habe sich noch nicht gefunden. Und wieder könnten Palmer nun Chinesen in die Quere kommen: In der südwestchi­nesischen Provinz Sichuan ist derzeit eine weitere Replik der Titanic in Bau. Beworben wird sie mit dem Slogan: „Die Titanic, die wirklich niemals sinken wird.“Schwer ist es nicht, dieses Verspreche­n einzulösen: Sie soll ihr Reservat nie verlassen.

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