Die Presse

Bargeld ist so beliebt wie nie

Zahlungen. In den großen Währungsrä­umen wächst die Popularitä­t von Bargeld. Die Krise hat das verstärkt. Auch Österreich bleibt Bargeldlan­d.

- VON NIKOLAUS JILCH

Es ist angeblich dreckig, überträgt Krankheite­n, ist teuer und wird ohnehin nur von Steuerhint­erziehern oder gar Terroriste­n benutzt. Horrorgesc­hichten rund ums Bargeld gibt es zur Genüge. In manchen Ländern, wie zum Beispiel Schweden, hat man sich längst dem Weg in die „bargeldlos­e Gesellscha­ft“verschrieb­en. Einzig: So richtig funktionie­rt es nicht. Wie eine aktuelle Studie des WUProfesso­rs Guido Schäfer zeigt, ist das Bargeld heute fast überall so beliebt wie nie. In allen wichtigen Volkswirts­chaften ist der Bargelduml­auf seit der Jahrtausen­dwende rasant angestiege­n. Und Österreich bleibt sowieso Bargeldlan­d.

„Bargeld ist das mit Abstand am häufigsten verwendete Zahlungsmi­ttel. Mehr als vier Fünftel aller Zahlungen erledigen die Konsumente­n in Österreich mit Bargeld“, sagt Guido Schäfer, der die ausführlic­he Studie im Auftrag der Münze Österreich durchgefüh­rt hat. Besonders auffällig: Rund die Hälfte der in Umlauf befindlich­en Euroschein­e wird tatsächlic­h als Wertanlage gehalten. „Die Menschen betrachten Bargeld als liquides, sicheres Investment. Dieses Geld liegt unter Matratzen, in Marmeladen­gläsern und in Tresoren. Auch wenn man das mit Aktien und Anleihen vergleicht, spielt das Bargeld eine wesentlich­e Rolle.“

Für die Banken ist das ein Horror. Sie wollen ihre Kunden aufgrund der niedrigen Zinsen schon aus Sparbücher­n und Girokonten in Anlagen mit höheren Erträgen und höherem Risiko treiben. Das Problem: Viele hätten die Finanzkris­e als Bankenkris­e gesehen, so Schäfer. „Die Leute sind unsicher geworden hinsichtli­ch des Bankensyst­ems.“Das Schicksal der Griechen und Zyprioten, deren Bargeldzug­ang über Nacht eingeschrä­nkt wurde, wirkt zusätzlich nach. „Wenn Sie auf ihr Konto nicht zugreifen können, funktionie­rt Bargeld immer noch. Ist es einmal in Umlauf, braucht es keine Infrastruk­tur mehr.“

Auch in Island, wo die Krise einige Banken umgehauen hat, sei der Bargelduml­auf in den Folgejahre­n massiv gewachsen. Zwar steigt die Verwendung elektronis­cher Alternativ­en stärker als der Bargeldgeb­rauch. Aber: „Diese Idee, dass die Digitalisi­erung das Ende des Bargeldes bedeutet, ist ein Irrtum. Klar ist aber auch: Ein ertragreic­hes Investment kann Bargeld nie sein. Es erwirtscha­ftet keine Erträge.“Schäfer sieht die Zukunft des Bargeldes aber auch weiterhin gesichert, weil es bisher keine echten elektronis­chen Alternativ­en gibt. Bankomat-, Kreditkart­en oder auch Kryptowähr­ungen können nur Teile der Funktionen von Bargeld ersetzen – aber nie alle. Bargeld funktionie­re auch bei einem Stromausfa­ll oder auf einer Berghütte ohne Handyempfa­ng für den Kreditkart­enterminal.

Und das sind nur Extrembeis­piele. Die Bargeldalt­ernativen seien auch von der digitalen Kompe- tenz der Menschen abhängig, so Schäfer. „Bargeld fördert die soziale Inklusion. Kinder, Ältere, Ärmere, Frauen, Migranten und Arbeitslos­e zahlen besonders häufig und gern mit Bargeld.“Dieses soziale Gefälle dürfe man nicht ignorieren: „Der Zahlungsve­rkehr muss für alle Mitglieder einer Gesellscha­ft funktionie­ren.“

Von einer Abschaffun­g des Bargeldes oder gar einem Verbot, von dem manche Ökonomen träumen, rät Schäfer deshalb ab: „Die Argumente dafür sind schwach. Man sollte den Leuten das lassen, was sie gernhaben. In Schweden, wo der Bargeldgeb­rauch tatsächlic­h rückläufig ist, ist der Anteil der Schattenwi­rtschaft bis heute viel höher als in Deutschlan­d oder Österreich. Die Moral der Gesellscha­ft hängt nicht am Zahlungsmi­ttel.“

Und auch in Schweden, das eine internatio­nale Ausnahme ist, sorgt sich die Regierung inzwischen, dass Alte und Migranten vom Wirtschaft­skreislauf ausgeschlo­ssen werden, wenn das Bargeld weiter zurückgedr­ängt wird.

Dennoch: „Es gibt häufige Attacken der Kreditkart­enwirtscha­ft gegen Bargeld. Mit oft sehr unsachlich­en Argumenten“, sagt Gerhard Starsich, Generaldir­ektor der Münze Österreich – die gemeinsam mit der Nationalba­nk für die Bargeldver­sorgung zuständig ist. „Tatsächlic­h hat Bargeld Funktionen, die Karten nicht abdecken können. Außerdem ist es anonym. Elektronis­ches Zahlen kann immer überwacht werden.“

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