Die Presse

Wie der Tesla-Paulus den Kurs treibt

Analyse. Ein Shortselle­r gibt auf – und der Aktienkurs des Elektroaut­opioniers explodiert.

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Die Aktie des E-Autopionie­rs Tesla ist am Dienstag um fast 13 Prozent hochgespru­ngen, weil Andrew Eduard Left, einer der großen Shortselle­r von Tesla-Aktien, seine verlustrei­chen Positionen glattgeste­llt und sich plötzlich begeistert über die Zukunft des Autobauers geäußert hat. Die Marktreakt­ion ist börsenpsyc­hologisch ein wenig seltsam. Denn wieso soll einer, der in den vergangene­n Jahren mit einer völlig falschen Markteinsc­hätzung viel Geld verbrannt hat, mit seinem Schwenk jetzt richtig liegen?

Allerdings muss man wissen: Tesla ist kein gewöhnlich­es Unternehme­n, sondern eine Art Religion. Es gibt auf dem Markt fast nur bedingungs­los folgende „Jünger“und mit religiösem Eifer dagegen ankämpfend­e „Hater“. Und wenig dazwischen.

In einem solchen pseudoreli­giösen Marktumfel­d macht sich die Geschichte vom shortselle­nden Saulus, der nach plötzliche­r Erleuchtun­g zum Paulus mutiert, ziemlich gut. Und wirkt vor allem stark belebend auf den Kurs.

Deshalb hat der Tesla-Kurs mit normaler „Marktmecha­nik“auch wenig zu tun. Es wäre sonst ja nicht nachvollzi­ehbar, dass die Marktkapit­alisierung eines Unter- nehmens, dessen Autoproduk­tion im unteren sechsstell­igen Bereich liegt und das den Ausdruck „Gewinn“bisher nur vom Hörensagen kennt, fast so hoch wie jene der VW-Gruppe liegt, die elf Millionen Autos herstellt und damit um die 14 Mrd. Euro Jahresgewi­nn erzielt.

Aber was macht der durchschni­ttliche Anleger jetzt mit der Geschichte? Am besten gar nichts. Charttechn­isch befindet sich Tesla seit gut eineinhalb Jahren in einem sehr breiten, leicht nach unten geneigten Trendkanal. Ein Paradies für Swingtrade­r, aber nichts für Leute, die mittelfris­tig anlegen wollen. Zumindest nicht, solange der Kurs nicht aus diesem Trend- kanal ausbricht.

Müßig ist auch die Frage, ob – und wenn ja, wie – überbewert­et die Aktie ist. Nach traditione­llen Kriterien ist der Kurs jenseits von Gut und Böse. Aber was ist an der Börse schon normal? Leute, die derzeit an die 290 Dollar für die Aktie zahlen, gehen davon aus, dass Tesla jetzt aber wirklich den Markt aufrollt, zu globaler Größe aufsteigt und die europäisch­e und japanische Konkurrenz aufmischt. Tritt das ein, dann ist das Papier derzeit billig, platzt der Traum, hat man viel Geld verbrannt. Man muss also, wie Herr Left, spekuliere­n. Und kann sich dabei, auch wie Herr Left, die Finger verbrennen.

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VON JOSEF URSCHITZ

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