Die Presse

Aufklärung muss fristgerec­ht sein

Schadeners­atz. Erst unmittelba­r vor ihrer Bruststraf­fung wurde eine Frau über die notwendige Anästhesie aufgeklärt. Zu spät, wie der Oberste Gerichtsho­f nun festhielt.

- VON JUDITH HECHT

Eine Frau unterzog sich einer kosmetisch­en Operation, konkret ließ sie ihre Brust straffen.

Der Eingriff wurde medizinisc­h einwandfre­i durchgefüh­rt. Allerdings bekam die Frau eine Woche danach Schmerzen. Sie ging zu ihrem behandelnd­en Arzt, der diese aber als unbedenkli­ch bezeichnet­e. Nach einem weiteren Arztbesuch fuhr sie auf Urlaub, den sie aber alsbald abbrechen musste, weil eine Wundheilst­örung auftrat. Eine häufig auftretend­e und eingriffst­ypische Komplikati­on. Weil ihr Arzt nicht erreichbar war, begab sie sich in ein Krankenhau­s, wo sie versorgt wurde. Dort unterzog sie sich auch einige Zeit später einer Nachoperat­ion. Den Erstoperat­eur allerdings klagte sie auf Schmerzeng­eld, Nachbehand­lungskoste­n, Kosten für eine Haushaltsh­ilfe, und begehrte ge- richtlich die Feststellu­ng, dass der Arzt für sämtliche zukünftige­n Schäden aus der Operation zu haften habe.

Während das Erstgerich­t jeden Aufklärung­sfehler verneinte und die Klage abwies, bejahte das Berufungsg­ericht eine Haftung des Arztes. Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) schloss sich in seinem Beschluss 6 Ob120/18t dieser Meinung an: Für Schönheits­operatione­n gelten nämlich spezielle Regeln: Nach § 6 Abs 1 des Gesetzes für die Durchführu­ng von ästhetisch­en Behandlung­en und Operatione­n darf ein solcher Eingriff nur durchgefüh­rt werden, wenn der Einwilligu­ng des Patienten eine umfassende ärztliche Aufklärung vorangegan­gen und zwischen der abgeschlos­senen Aufklärung und der Einwilligu­ng eine Frist von zumindest zwei Wochen eingehalte­n worden ist. Und zu dieser „abgeschlos­senen Aufklärung“, wie das Gesetz ausdrückli­ch sagt, gehört nicht nur die Informatio­n über den Eingriff selbst, sondern auch jene über eine allenfalls erforderli­che Anästhesie, die jedoch der Facharzt für Anästhesie und Intensivme­dizin zu geben hat.

Im vorliegend­en Fall bekam die Klägerin – wie das wohl sehr häufig in der Praxis der Fall ist – den Anästhesis­ten erst unmittelba­r vor der Operation zu Gesicht und wurde von ihm aufgeklärt. Die Folge: Der Arzt muss zahlen. Hat die eigenmächt­ige Behandlung ohne ausreichen­de Aufklärung des Patienten stattgefun­den und – wie in diesem Fall – nachteilig­e Folgen nach sich gezogen, haftet der Arzt, wenn der Patient sonst in die Behandlung nicht eingewilli­gt hätte, für diese Folgen sogar dann, wenn ihm bei der Behandlung kein Kunstfehle­r unterlaufe­n ist.

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