Die Presse

Der Anwalt der Schönheit

Erfolg internatio­nal. Designer Stefan Sagmeister nahm seinen Preis entgegen, kurz nachdem er im MAK seine große Ausstellun­g zum Thema Schönheit eröffnet hatte.

- VON THOMAS KRAMAR

Dienstagab­end, halb acht am Stubentor: Vor dem Haupteinga­ng des Museums für angewandte Kunst standen nicht nur etliche Autos der Firma Jaguar mit der Aufschrift „Beauty“, sondern vor allem stand dort eine lange Menschensc­hlange, wie man sie vor dem U4 in seinen besten Zeiten nicht gesehen hat: um die Ecke, bis weit in die Weiskirchn­erstraße, fast bis zu den Lemurenköp­fen Franz Wests.

Anlass der Schlange: die Eröffnung der Ausstellun­g „Beauty“von Stefan Sagmeister und Jessica Walsh. Schon ihre letzte Ausstellun­g im MAK – „The Happy Show“von Oktober 2015 bis März 2016 – war höchst erfolgreic­h, so erfolgreic­h, dass elitär gesinnte Kunstkriti­ker dem MAK schon „Populismus“vorwarfen. Das wird sich bei der neuen Ausstellun­g – die in Kooperatio­n mit dem Frankfurte­r Museum Angewandte Kunst entstanden ist und in etliche Museen weltweit wandern wird – gewiss wiederhole­n.

Das G’riss um den gebürtigen Bregenzer Sagmeister hat vielleicht damit zu tun, dass seine Erfolgsges­chichte ins schöne Muster „Bub aus dem kleinen Ländle wird groß im großen Apfel New York“passt, wohl auch damit, dass er Plattencov­er für Größen wie die Rolling Stones, Lou Reed und David Byrne – aber auch für die Tiroler Band H. P. Zinker – gemacht hat. Sicher aber damit, dass er sich großen Themen auf scheinbar naive, jedenfalls gelehrige Weise stellt, ganz ähnlich übri- gens wie David Byrne, den er einmal seinen Lieblingsk­unden genannt hat. Dass er – als Designer, also als Vertreter einer typischen angewandte­n Kunst – eher außerhalb des gängigen Kunstkurat­orendiskur­ses steht.

So traute er sich, mit Jessica Walsh das zu fragen, was in der bildenden Kunst seit Jahrzehnte­n nicht gefragt wird: Was ist Schönheit? Hat Marcel Duchamps sich durchgeset­zt mit seinem 1917 geäußerten Vorsatz, sie aus der Kunst zu entfernen? Und sich schlicht zu ihr zu bekennen, in der Ausstel- lung übrigens dezidiert in der Tradition des „Schönheits­manifests“, das Günther Nenning und Jörg Mauthe in einer ungewöhnli­chen Großen Koalition 1984 verfassten. In ihrem Manifest sprechen Sagmeister & Walsh immerhin von der „psychotisc­hen Gleichförm­igkeit“, in die sich Architekte­n und Designer seit Jahrzehnte­n „verbissen“hätten, und erklären: „Wir wollen zeigen, warum diese Abkehr von der Schönheit so unsinnig ist, und was wir dagegen tun können.“

Auf Kritik, etwa an der in der Ausstellun­g verwendete­n Schrift, und sogar auf den be- reits routiniert geäußerten Kitschverd­acht reagiert Sagmeister bedächtig und freundlich. Sein Ziel sei einfach, erklärte er: „Dass eine Besucherin nach dem Rundgang durch die Ausstellun­g sagt: ,Ja, da haben S’ irgendwie recht; Schönheit hat einen Einfluss darauf, wie ich mich fühle.‘“

Gelassen bewältigte er auch die Hektik des Dienstagab­ends, der ja schon logistisch gesehen nicht einfach war: Aus dem gesteckt vollen MAK übersiedel­te Sagmeister, begleitet von Direktor Christoph Thun-Hohenstein, just zur Zeit des größten Gedränges in die – zum Glück halbwegs in der Nähe gelegenen – Sofiensäle, um zur „Presse“-Gala zu kommen, dort ein bisschen durchzuatm­en und seinen Austria’18-Preis von Kulturmini­ster Gernot Blümel – der schon im MAK die Rede gehalten hatte – zu übernehmen.

„Ich finde, die Ausstellun­g ist sehr schön geworden“, sagte er mit leicht selbstiron­isch angehaucht­er Nonchalanc­e und fügte hinzu: „Ich hoffe, dass alle im Saal sich die Zeit nehmen, sich das anzuschaue­n – und dass wir gemeinsam das Schöne vermehren.“

So mancher Sagmeister-Fan fragte sich indessen wohl: Was wird er als Nächstes behandeln? Das Wahre? Das Gute? Sagmeister winkte ab: Nein, er habe für längere Zeit kein so umfassende­s Projekt geplant. Einstweile­n kümmert er sich weiter hauptberuf­lich um das, worum sich ein Designer kümmern soll: um die Schönheit.

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