Am Vorabend einer neuen Währungsordnung?
Der sukzessive Aufbau von Goldreserven kann als Indiz für das steigende Misstrauen in die gegenwärtige Herrschaft des US-Dollar gewertet werden. Womöglich ist er eine Vorbereitung für ein neues weltweites Währungssystem.
Wer mit der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA den Verdacht hegte, dies bedeute das Ende einer Ära, könnte mit seiner Einschätzung recht behalten. Die knallharte Durchsetzung von USInteressen unter dem von Trump ausgerufenen Leitmotiv „America first“könnte insbesondere die derzeitige Währungsarchitektur komplett aus den Angeln heben.
Die globale Nachkriegsordnung war bisher geprägt von der Dominanz einer nationalen Währung, des US-Dollar. Da am Ende des Zweiten Weltkrieges über 90 Prozent der globalen Goldreserven im Besitz der USA waren, konnte nicht zum klassischen Goldstandard von vor 1914 zurückgekehrt werden. Auf der Konferenz von Bretton Woods wurde 1944 die Einführung eines GoldDevisen-Standards beschlossen. Unter dem Motto „The dollar is as good as gold“wurde neben Gold der US-Dollar als internationale Währungsreserve festgelegt.
Bereits 1959, und damit zu einer Zeit, als es zumindest für die Zentralbanken noch die Möglichkeit gab, ihre US-Dollar-Reserven in Gold einzulösen, hat der belgischamerikanische Ökonom Robert Triffin auf einen fundamentalen Konstruktionsfehler dieses Systems hingewiesen. Die für den zunehmenden Welthandel benötigte Liquidität war nur durch die Freisetzung zusätzlicher US-Dollar möglich. Für die USA war dies Segen und Fluch zugleich. Sie konnten sich einerseits zu günstigen Konditionen weltweit finanzieren, waren aber andererseits zu chronischen Leistungsbilanzdefiziten verdammt.
Die Verschuldung nahm in den 1960er-Jahren stetig zu, weswegen mehr und mehr Staaten misstrauisch wurden und von ihrem Recht Gebrauch machten, ihre US-Dollar in Gold einzulösen. Um den weiteren Abfluss der Goldreserven ins Ausland zu unterbinden, hob US-Präsident Nixon am 15. August 1971 die Goldkonvertibilität des US-Dollar auf.
Damit wurde das Triffin-Dilemma allerdings nicht hinfällig. Die Notwendigkeit der USA blieb bestehen, durch Leistungsbilanzdefizite Liquidität zu exportieren, und die Defizite begannen nun erst richtig zu explodieren. In knapp 50 Jahren des Post-BrettonWoods-Systems haben sich die USA als Konsequenz daraus weitgehend deindustrialisiert und zu einer extrem konsumorientierten Volkswirtschaft transformiert.
Erklärtes Ziel von Trump ist die Reduktion dieses Defizits. Er will den Prozess umkehren und durch eine Reindustrialisierung die USA wieder zu alter Größe führen. Damit dies in einem internationalen Kontext ohne eine tiefgreifende Weltwirtschaftskrise gelingen kann, bedarf es jedoch einer grundlegenden Veränderung der globalen Währungsarchitektur.
Je stärker die US-Regierung handelshemmende Maßnahmen wie Strafzölle vorantreibt, umso knapper wird kurzfristig das Angebot an US-Dollar. Dies bekommen zurzeit immer mehr exportorientierte Schwellenländer zu spüren. Präsident Trump scheint zudem Gefallen daran zu finden, den US-Dollar als machtpolitisches Instrument einzusetzen. In Ländern wie Vene- zuela, dem Iran und zuletzt in der Türkei werden hausgemachte Wirtschaftsprobleme durch Handelssanktionen und währungspolitischen Druck weiter verschärft.
Die Ausnutzung dieser Sonderstellung durch die USA ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Denn in gleichem Maße, wie Trump machtbewusster auftritt, nimmt das Bewusstsein über die potenziellen Nachteile der USDollar-zentrischen Währungsordnung zu. Verschiedene Länder versuchen durch die Abkehr vom USDollar als Handels- und Reservewährung größeren politischen Spielraum und mehr Souveränität
(geboren 1980 in Wien) studierte Betriebswirtschaftslehre und Finanzwirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien sowie in den USA. War Mitarbeiter der Raiffeisen Zentralbank, danach als Analyst bei der Erste Group. Derzeit Mitglied der Geschäftsführung der Incrementum AG mit Sitz in Liechtenstein. in währungspolitischen Angelegenheiten zu gewinnen.
China hat bereits mehrere Verträge mit erdölexportierenden Ländern abgeschlossen, die in Yuan denominiert sind, und darüber hinaus im Frühjahr 2018 den Handel mit in Yuan denominierten Öl-Futures lanciert. Russland arbeitet ebenfalls schon seit längerer Zeit daran, seine Abhängigkeit vom US-Dollar zu reduzieren.
Parallel dazu feiert in den Bilanzen der Zentralbanken ein altbekanntes Reserveasset still und heimlich ein Comeback: Gold. Viele Jahr-
(geboren 1980 in Mödling) studierte Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. Arbeitete für die Raiffeisen Zentralbank. Seit 2013 Partner der Incrementum AG; Lektor am Institut für Wertewirtschaft in Wien und Referent an der Wiener Börse Akademie. Ko-Autor des Ratgebers „Österreichische Schule für Anleger“. zehnte lang wurden die Bestände des als „barbarisches Relikt“diskreditierten Metalls sukzessive reduziert. Mit der großen Finanzkrise 2007/2008 setzte jedoch eine Trendwende ein. Die Goldreserven der Zentralbanken begannen wieder anzusteigen, wobei die Zunahme der Goldreserven ausschließlich auf das Konto der Schwellenländer ging.
Während die von den Zentralbanken der Industriestaaten gehaltene Menge Gold um die 25.000 Tonnen Gold leicht schwankt, stiegen die Goldreserven in den Schwellenländern seit ihrem Tief im Jahr 2006 von damals 4596 Tonnen auf 8755 Tonnen im Jahr 2017.
Insbesondere China, Russland und die Türkei haben ihre Zentralbankbestände an Gold seit 2007 deutlich erhöht und zwar um 307 Prozent (China), 408 Prozent (Russland) und 486 Prozent (Türkei). Im vierten Quartal 2007 hielten China, Russland, die Türkei und Indien zusammen 1524 Tonnen Gold, was 5,1 Prozent der damaligen Gesamtgoldreserven aller Zentralbanken entsprach. Zehn Jahre später kamen sie zusammen bereits auf 4804 Tonnen Gold oder 14,3 Prozent der Gesamtgoldreserven der Zentralbanken.
Überraschendes bringt in diesem Zusammenhang eine weitere Statistik zutage. In Russland sind aktuell knapp 55 Prozent der Zentralbankgeldmenge durch Goldreserven gedeckt. Im Euroraum liegt der Vergleichswert bei 9,5, in den USA bei 8,8 Prozent. China, Russland und zunehmend auch die Türkei zählen zu jenen Ländern, die das US-Dollar-zentrische Währungssystem und die Hegemonialansprüche der USA zuletzt immer offensiver infrage gestellt haben.
Der sukzessive Aufbau von Goldreserven kann daher als Indiz für das steigende Misstrauen in die gegenwärtige US-Dollar-Herrschaft gewertet werden und stellt womöglich eine Vorbereitungsmaßnahme für eine neue globale Währungsordnung dar. In dieser könnte Gold erneut eine bedeutende Rolle spielen. Schließlich läuft es im Unterschied zu Devisen nicht Gefahr, durch eine politisch motivierte Verweigerung der Annahme entwertet zu werden.