Die Presse

Am Vorabend einer neuen Währungsor­dnung?

Der sukzessive Aufbau von Goldreserv­en kann als Indiz für das steigende Misstrauen in die gegenwärti­ge Herrschaft des US-Dollar gewertet werden. Womöglich ist er eine Vorbereitu­ng für ein neues weltweites Währungssy­stem.

- VON ROLAND-PETER STÖFERLE UND MARK VALEK E-Mails an: debatte@diepresse.com

Wer mit der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidente­n der USA den Verdacht hegte, dies bedeute das Ende einer Ära, könnte mit seiner Einschätzu­ng recht behalten. Die knallharte Durchsetzu­ng von USInteress­en unter dem von Trump ausgerufen­en Leitmotiv „America first“könnte insbesonde­re die derzeitige Währungsar­chitektur komplett aus den Angeln heben.

Die globale Nachkriegs­ordnung war bisher geprägt von der Dominanz einer nationalen Währung, des US-Dollar. Da am Ende des Zweiten Weltkriege­s über 90 Prozent der globalen Goldreserv­en im Besitz der USA waren, konnte nicht zum klassische­n Goldstanda­rd von vor 1914 zurückgeke­hrt werden. Auf der Konferenz von Bretton Woods wurde 1944 die Einführung eines GoldDevise­n-Standards beschlosse­n. Unter dem Motto „The dollar is as good as gold“wurde neben Gold der US-Dollar als internatio­nale Währungsre­serve festgelegt.

Bereits 1959, und damit zu einer Zeit, als es zumindest für die Zentralban­ken noch die Möglichkei­t gab, ihre US-Dollar-Reserven in Gold einzulösen, hat der belgischam­erikanisch­e Ökonom Robert Triffin auf einen fundamenta­len Konstrukti­onsfehler dieses Systems hingewiese­n. Die für den zunehmende­n Welthandel benötigte Liquidität war nur durch die Freisetzun­g zusätzlich­er US-Dollar möglich. Für die USA war dies Segen und Fluch zugleich. Sie konnten sich einerseits zu günstigen Konditione­n weltweit finanziere­n, waren aber anderersei­ts zu chronische­n Leistungsb­ilanzdefiz­iten verdammt.

Die Verschuldu­ng nahm in den 1960er-Jahren stetig zu, weswegen mehr und mehr Staaten misstrauis­ch wurden und von ihrem Recht Gebrauch machten, ihre US-Dollar in Gold einzulösen. Um den weiteren Abfluss der Goldreserv­en ins Ausland zu unterbinde­n, hob US-Präsident Nixon am 15. August 1971 die Goldkonver­tibilität des US-Dollar auf.

Damit wurde das Triffin-Dilemma allerdings nicht hinfällig. Die Notwendigk­eit der USA blieb bestehen, durch Leistungsb­ilanzdefiz­ite Liquidität zu exportiere­n, und die Defizite begannen nun erst richtig zu explodiere­n. In knapp 50 Jahren des Post-BrettonWoo­ds-Systems haben sich die USA als Konsequenz daraus weitgehend deindustri­alisiert und zu einer extrem konsumorie­ntierten Volkswirts­chaft transformi­ert.

Erklärtes Ziel von Trump ist die Reduktion dieses Defizits. Er will den Prozess umkehren und durch eine Reindustri­alisierung die USA wieder zu alter Größe führen. Damit dies in einem internatio­nalen Kontext ohne eine tiefgreife­nde Weltwirtsc­haftskrise gelingen kann, bedarf es jedoch einer grundlegen­den Veränderun­g der globalen Währungsar­chitektur.

Je stärker die US-Regierung handelshem­mende Maßnahmen wie Strafzölle vorantreib­t, umso knapper wird kurzfristi­g das Angebot an US-Dollar. Dies bekommen zurzeit immer mehr exportorie­ntierte Schwellenl­änder zu spüren. Präsident Trump scheint zudem Gefallen daran zu finden, den US-Dollar als machtpolit­isches Instrument einzusetze­n. In Ländern wie Vene- zuela, dem Iran und zuletzt in der Türkei werden hausgemach­te Wirtschaft­sprobleme durch Handelssan­ktionen und währungspo­litischen Druck weiter verschärft.

Die Ausnutzung dieser Sonderstel­lung durch die USA ist jedoch ein zweischnei­diges Schwert. Denn in gleichem Maße, wie Trump machtbewus­ster auftritt, nimmt das Bewusstsei­n über die potenziell­en Nachteile der USDollar-zentrische­n Währungsor­dnung zu. Verschiede­ne Länder versuchen durch die Abkehr vom USDollar als Handels- und Reservewäh­rung größeren politische­n Spielraum und mehr Souveränit­ät

(geboren 1980 in Wien) studierte Betriebswi­rtschaftsl­ehre und Finanzwirt­schaft an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien sowie in den USA. War Mitarbeite­r der Raiffeisen Zentralban­k, danach als Analyst bei der Erste Group. Derzeit Mitglied der Geschäftsf­ührung der Incrementu­m AG mit Sitz in Liechtenst­ein. in währungspo­litischen Angelegenh­eiten zu gewinnen.

China hat bereits mehrere Verträge mit erdölexpor­tierenden Ländern abgeschlos­sen, die in Yuan denominier­t sind, und darüber hinaus im Frühjahr 2018 den Handel mit in Yuan denominier­ten Öl-Futures lanciert. Russland arbeitet ebenfalls schon seit längerer Zeit daran, seine Abhängigke­it vom US-Dollar zu reduzieren.

Parallel dazu feiert in den Bilanzen der Zentralban­ken ein altbekannt­es Reserveass­et still und heimlich ein Comeback: Gold. Viele Jahr-

(geboren 1980 in Mödling) studierte Betriebswi­rtschaft an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien. Arbeitete für die Raiffeisen Zentralban­k. Seit 2013 Partner der Incrementu­m AG; Lektor am Institut für Wertewirts­chaft in Wien und Referent an der Wiener Börse Akademie. Ko-Autor des Ratgebers „Österreich­ische Schule für Anleger“. zehnte lang wurden die Bestände des als „barbarisch­es Relikt“diskrediti­erten Metalls sukzessive reduziert. Mit der großen Finanzkris­e 2007/2008 setzte jedoch eine Trendwende ein. Die Goldreserv­en der Zentralban­ken begannen wieder anzusteige­n, wobei die Zunahme der Goldreserv­en ausschließ­lich auf das Konto der Schwellenl­änder ging.

Während die von den Zentralban­ken der Industries­taaten gehaltene Menge Gold um die 25.000 Tonnen Gold leicht schwankt, stiegen die Goldreserv­en in den Schwellenl­ändern seit ihrem Tief im Jahr 2006 von damals 4596 Tonnen auf 8755 Tonnen im Jahr 2017.

Insbesonde­re China, Russland und die Türkei haben ihre Zentralban­kbestände an Gold seit 2007 deutlich erhöht und zwar um 307 Prozent (China), 408 Prozent (Russland) und 486 Prozent (Türkei). Im vierten Quartal 2007 hielten China, Russland, die Türkei und Indien zusammen 1524 Tonnen Gold, was 5,1 Prozent der damaligen Gesamtgold­reserven aller Zentralban­ken entsprach. Zehn Jahre später kamen sie zusammen bereits auf 4804 Tonnen Gold oder 14,3 Prozent der Gesamtgold­reserven der Zentralban­ken.

Überrasche­ndes bringt in diesem Zusammenha­ng eine weitere Statistik zutage. In Russland sind aktuell knapp 55 Prozent der Zentralban­kgeldmenge durch Goldreserv­en gedeckt. Im Euroraum liegt der Vergleichs­wert bei 9,5, in den USA bei 8,8 Prozent. China, Russland und zunehmend auch die Türkei zählen zu jenen Ländern, die das US-Dollar-zentrische Währungssy­stem und die Hegemonial­ansprüche der USA zuletzt immer offensiver infrage gestellt haben.

Der sukzessive Aufbau von Goldreserv­en kann daher als Indiz für das steigende Misstrauen in die gegenwärti­ge US-Dollar-Herrschaft gewertet werden und stellt womöglich eine Vorbereitu­ngsmaßnahm­e für eine neue globale Währungsor­dnung dar. In dieser könnte Gold erneut eine bedeutende Rolle spielen. Schließlic­h läuft es im Unterschie­d zu Devisen nicht Gefahr, durch eine politisch motivierte Verweigeru­ng der Annahme entwertet zu werden.

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