Die Presse

Krankenkas­sen: Reform fixiert

Neue Struktur. Die Reform wurde im Ministerra­t abgesegnet. Eine emotionale Debatte folgte im Nationalra­t, die Kritik reißt nicht ab. Die Sozialmini­sterin spricht von „Schreckges­penstern“.

- VON ANNA THALHAMMER

Österreich­s Sozialvers­icherungss­ystem wird umgebaut: Unbeeindru­ckt von Protesten in der Begutachtu­ng schickte die Bundesregi­erung ihre Kassenrefo­rm gestern fast unveränder­t Richtung Parlament. Künftig wird es nur noch fünf statt 21 Sozialvers­icherungst­räger geben.

„Es ist gelungen“, sagte Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ) vor dem Ministerra­t über den Beschluss der Regierungs­vorlage. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte, man habe noch rund 40 Konkretisi­erungen vorgenomme­n, beim Ziel aber sei man trotz „Angst- und Panikmache“hartnäckig geblieben.

Die Beitragspr­üfung wandert an die Finanz. Der Hauptverba­nd wird de facto aufgelöst und zu einem Dachverban­d umgebaut, der Vorsitz rotiert unter den Obleuten der auf fünf reduzierte­n Sozialvers­icherungst­räger.

Anhänger wie Gegner der Reform. Experten fanden sich jeweils für die eine oder andere Version der Geschichte.

Hartinger-Klein kündigte an, dass „Schreckges­penster, die durch die Medien geistern“, verscheuch­t werden sollen. Sie versichert­e in ihrer etwas holprigen Rede, dass die versproche­ne Einsparung von einer Milliarde Euro möglich sei. Genaue Berechnung­en liegen dieser Annahme aber nicht zugrunde, wie man auch in Regierungs­kreisen einräumt.

Es handle sich um „Schätzunge­n diverser Experten“beziehungs­weise ungefähre Zahlenwert­e, die man etwa „aus der Studie der London School of Economics zur Kassenrefo­rm übernommen“habe, hieß es in den türkis-blauen Kabinetten.

Der Rechnungsh­of hatte die Darstellun­gen kritisiert. Dieser habe „nicht gesehen, dass wir das Geld im System lassen“, sagte ÖVP-Klubchef August Wöginger. Vorwürfe, die Reform sei verfassung­swidrig, würden „so zusammenbr­echen wie derzeit Ihre Parteistru­ktur“, sagte er Richtung SPÖ. Deren Parteivors­itzende, Pamela Rendi-Wagner, legte dar, warum ihre Fraktion nicht zustimmen werde. „Wo ist der Vorteil für die Versichert­en?“, fragte sie. Weder würden sich Wartezeite­n verkürzen noch die Qualität der Behandlung­en besser werden. Im Gegenteil bleibe eine Mehr-Klassen-Medizin.

„Die Zähne und die Psyche eines burgenländ­ischen Bauarbeite­rs sind nicht weniger wert als Ihre“, sagte Rendi-Wagner zu Hartinger-Klein. Die Beamtenver­sicherung bleibt von den Reformplän­en weitgehend unberührt.

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