Die Presse

Gedränge bei der Präsidente­nwahl

Georgien. 25 Kandidaten rittern am Sonntag um das Amt. Es wird die letzte Wahl ihrer Art.

- Von unserer Korrespond­entin JUTTA SOMMERBAUE­R

Micheil-Gela Saluaschwi­li verspricht die baldige Ankunft des Heilands und sieht sich mit Gott im Bund. Sein Konkurrent kündigt an, Häuser für alle georgische­n Familien bauen zu wollen. Und ein dritter Kandidat, Nikoloz Lekischwil­i, präsentier­t sich in einem Werbespot als Anhänger von Elektroaut­os. Das sind drei der skurrilere­n Kandidaten für das Amt des Präsidente­n, der am Sonntag im Südkaukasu­sland Georgien gewählt wird.

Bei dem Urnengang haben die Georgier die Qual der Wahl. Insgesamt 25 Kandidaten stehen zur Auswahl. Eine noch nie da gewesene Kandidaten­zahl für ein Amt, das vor allem repräsenta­tive Funktionen hat – und nach einer Verfassung­sreform künftig noch weniger Macht. Die Abstimmung am Sonntag wird zudem die letzte ihrer Art sein. Denn künftig wird das Staatsober­haupt nicht mehr von den Bürgern bestimmt, sondern von einem Wahlgremiu­m.

Diese Reform war die Idee der Regierungs­partei Georgische­r Traum. Sie gilt jedoch intern als umstritten. So sprach sich der bisherige Staatschef, Georgi Margwelasc­hwili, der seit 2013 im Amt ist und nicht mehr antritt, dagegen aus. Galt der 49-Jährige zu Beginn als Ziehsohn des einflussre­ichen Parteigrün­ders und Milliardär­s Bidsina Iwanischwi­li, hat er an politische­m Profil gewonnen und sich mehrmals gegen die graue Eminenz quergelegt.

Der Georgische Traum war von Iwanischwi­li als Gegenproje­kt zum einflussre­ichen Reformer Micheil Saakaschwi­li initiiert worden. 2012 gewann die Sammelbewe­gung der Saakaschwi­li-Kritiker die Parlaments­wahl, ein Jahr später verlor Saakaschwi­li den Kampf um das Präsidente­namt. Von einem Gerichtsve­rfahren bedroht, floh er, später wurde er aus seinem neuen Wirkungsla­nd Ukraine deportiert; heute ist er staatenlos. In Georgien dominiert mittlerwei­le der Georgische Traum auf allen Ebenen.

Ideologisc­h ist er ein Sammelbeck­en verschiede­ner Strömungen geblieben. Zwar fahren Regierungs­politiker einen prowestlic­hen Kurs und wollen sich der EU annähern. Kritiker werfen manchen seiner Proponente­n vor, allzu russlandfr­eundlich zu sein. Das seit dem Augustkrie­g 2008 angespannt­e Verhältnis zum Nachbarn hat sich zwar rhetorisch entspannt; doch die Konflikte rund um Abchasien und Südossetie­n harren noch immer einer Lösung.

Wie sehr der Russland-Konflikt noch immer polarisier­t, ist auch im aktuellen Wahlkampf zu spüren. Salome Surabischw­ili, vom Georgische­n Traum unterstütz­te Kandidatin und frühere Außenminis­terin unter Saakaschwi­li, trat mit einer Äußerung eine Kontrovers­e los, die um Georgiens Mitverantw­ortung für den Krieg kreist.

Anfang August sagte die Diplomatin, dass Georgien den Krieg 2008 begonnen habe. Das sei weithin bekannt und auch von der EU bestätigt, ein Verweis auf die damalige Untersuchu­ngskommiss­ion unter der Leitung der Schweizeri­n Heidi Tagliavini. Sie schwächte später ihre Aussage ab, indem sie erklärte, dass der damalige Präsident den Fehler begangen habe, auf russische Provokatio­nen zu reagieren. Die hitzige Diskussion darüber zeigt, wie unerledigt das Thema des Augustkrie­gs ist.

Wie Surabischw­ili gehören weitere Kandidaten der Nationalen Bewegung Saakaschwi­lis an. Vermutlich wird keiner der Kandidaten die notwendige­n 50 Prozent im ersten Wahlgang erreichen. Eine Stichwahl gilt als wahrschein­lich.

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