Die Presse

„Geht auf eure regnerisch­e Insel“

Brexit. Rund 2200 Briten leben in Rumänien – im Gegensatz zu 411.000 rumänische­n Migranten in Großbritan­nien. Ein Großteil ist gegen den Brexit und fürchtet nun, zurückkehr­en zu müssen.

- VON MARLIES EDER

administra­tiven Versäumnis­sen ausgewiese­n werden – obwohl sie jahrelang Steuern gezahlt haben.

„Geht zurück auf eure regnerisch­e Insel.“Auch Frank Fisher fürchtet diesen Satz. Genüsslich rührt er in seinem Cappuccino in einem kleinen Cafe´ im Herzen Bukarests. „Viele Rumänen fragen mich: ,Warum lebst du in diesem schrecklic­hen Land?‘ Sie verstehen es nicht. Ich aber fühle mich nicht als ,verkehrter Migrant‘.“

Es war die Mischung aus dem Einfluss der osmanische­n, österreich­isch-ungarische­n und russischen Reiche, die den 70-Jährigen vor 15 Jahren nach Rumänien zog – und die Liebe. „Meine größte Sorge ist die Ungewisshe­it.“Schon jetzt habe das Brexitvotu­m Folgen: „Wegen des Pfund-Verfalls hat meine Pension 20 Prozent an Wert verloren.“Auch um die Zukunft seiner Kinder in London sorgt er sich. „Wir stehen auf der falschen Seite der Geschichte“, meint Fisher. „Eine kleine Insel vor der Küste hat heute wenige Chancen, eine Weltmacht zu werden.“

Schärfere Worte findet Mike Ormsby. „Der Brexit war eine große Idee für Kleingeist­er“, sagt der ExBBC-Journalist und Autor, der drei Bücher über sein Leben in Rumänien verfasst hat. Am liebsten hätte er eine andere Staatsbürg­erschaft angenommen. Einen irischen Pass werde er trotz seiner Vorfahren aber nicht bekommen. Der Erwerb einer rumänische­n Staatsbürg­erschaft sei ihm mit zu vielen bürokratis­chen Hürden verbunden.

So wird Ormsby gemeinsam mit seiner Frau der Wahlheimat Transsilva­nien treu bleiben – als Brite. Und er nimmt es sarkastisc­h: „Ich werde künftig Geschichte­n über Briten schreiben, die das Leben in Rumänien lieben, aber den Brexit als sehr gute Idee empfinden. Es gibt sie.“Paul Wood zählt zu dieser Minderheit der Brexiteers in Rumänien – und gilt als einer der lautesten. „Natürlich hängt es davon ab, was die Briten daraus machen. Wenn sie glauben, nicht ohne EU überleben zu können, mangelt es ihnen an Vertrauen in das eigene Volk“, meint der Gründer einer Personalve­rmittlung.

Letztlich gehe es nicht um Wirtschaft, sondern um nationale Freiheit. „Die EU ist nicht richtig für Großbritan­nien. Es ist eine Insel, das ist ein großer Unterschie­d: Wir fühlen uns nicht als Europäer. Und wir sind auch keine.“Seit 20 Jahren lebt Wood nun auf seiner persönlich­en Insel, Rumänien. Die Rumänen haben es ihm angetan.

Als „Latein-Volk, umgeben von Slawen und Ungarn, das im falschen Teil Europas festsitzt“, beschreibt er sie und schwärmt von ihrer Romantik und Leidenscha­ft. Sorgen um seine Zukunft als Expat hat er keine. „Briten sind die beliebtest­e Nationalit­ät in Rumänien. Wir sind nicht so vulgär wie Amerikaner und haben anders als Deutsche Sinn für Humor.“

Reisen und Kultur ja, Teil des politische­n Systems nein. So sieht es auch David Howard. „Die Briten kehren Europa nicht den Rücken. Es ist nur das undemokrat­ische Konstrukt der EU, mit dem sie ein Problem haben.“Als Teil der Union verliere London politische Kontrolle. Für mehr Souveränit­ät seien die Briten eben bereit, einen Preis zu zahlen. „Der Brexit wird sicher kurzfristi­ge wirtschaft­liche Folgen haben“, sagt der Immobilien­sachverstä­ndige. „Aber es ist ein Fehler zu glauben, dass wir nicht außerhalb der EU überleben können.“

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