Die Presse

Dieses Stündchen allein bringt nicht aus dem Takt

Pro Zeitumstel­lung. Plädoyer für immer neue Zeiten.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Zeitumstel­lungswoche­nende, wie schön! Man kann genervt „Schon wieder“jammern, diskutiere­n, ob vor oder zurück, ob es früher hell oder dunkel wird, sich über die Stunde freuen – oder über die Ausrede fürs Zuspätkomm­en: Das Handy hat sich nicht umgestellt! Achtung: Diese Ausrede geht erst im Frühling.

Der Sprung in der Zeit ist eine willkommen­e Erinnerung, dass das gemütliche dunklere (knappe) halbe Jahr beginnt, mit dicken Schals, Tee, Nebelspazi­ergängen – und der Advent kommt auch bald! Das Uhrverstel­len (das die Digitalger­äte ja eh erledigen) ist ein gemeinscha­ftliches Einstellen darauf, ein kollektive­r Bruch der Routine. Dass die Umstellung den Biorhythmu­s stört, Schlafensz­eiten verschiebt, Leistungsf­ähigkeit senkt, Psyche und Börsen schadet, überhaupt Tod und Verderben bringen soll? Was für ein Drama! Wer Kinder, jemanden zu pflegen, Nachtdiens­te, Schichtarb­eit, Schlafstör­ungen, ein Soziallebe­n, Partnersch­aft, Krankheite­n oder gelegentli­ch ein gutes Buch in der Hand hat, kann über einmal eine Stunde Schlaf mehr oder weniger nur lachen. Und wessen Leben deshalb völlig aus dem Takt gerät, der macht sich dieses vermutlich auch so nicht ganz leicht.

Hier sollte man vielleicht über die Ursachen diverser Probleme reden oder über die der epidemisch­en Schlafstör­ungen überhaupt. Oder darüber, ob mehr Selbstvera­ntwortung, Autonomie und Flexibilit­ät in der Zeitgestal­tung generell nicht auch Ideen wären, um zu ermögliche­n, besser nach dem Rhythmus der inneren Uhr zu leben. Eine Zeit, die für Morgenmens­chen wie für Nachteulen gut passt, werden wir nicht finden.

Freuen wir uns also lieber am Ritual des Zeigerrück­ens. In welche Richtung noch einmal?

Newspapers in German

Newspapers from Austria