Die Presse

„Ich drück einfach auf Play“

Kärnten. In Klagenfurt geht Österreich­s Poetry-Slam-Meistersch­aft ins Finale. Sarah Anna Fernbach hat heuer schon in Deutschlan­d die U20 gewonnen.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Gut, dass es YouTube gibt. Manches von dem, was Sarah Anna Fernbach da gereimt von sich gibt, wenn sie „Aussagen, die nix aussagen“zerlegt, ist nämlich so schnell, dass man gern einmal auf Stopp drückt und noch einmal zurückspul­t.

Bei einem echten Poetry-Slam geht das natürlich nicht, aber Fernbach sieht darin auch kein Problem. Wenn Menschen nicht immer gleich alles verstehen, „sehe ich das als Kompliment“. Außerdem: Gerade in den zungenbrec­herisch schnellen Passagen gehe es ihr eher um einen Eindruck als um den Inhalt. „Es ist einfach ein Stilmittel.“Und es passiere öfter, dass Leute, die einen Text schon kennen, danach fragen und ihn wieder hören wollen. „Wie bei einem guten Lied.“

Wenn dabei jemand aus ihrem Bekanntenk­reis vor drei Jahren gehört hätte, dass sie allein auf einer Bühne stehen würde, der hätte allenfalls gelacht. Zu ruhig und introverti­ert sei sie immer gewesen. Gut ein Jahr vor ihrem ersten Auftritt, erzählt die Oberösterr­eicherin aus Pasching, hatte ihre Cousine sie mit in die Linzer Tabakfabri­k geschleppt, wo monatlich ein Poetry Slam stattfinde­t. „Wir haben beide nicht gewusst, was uns erwartet.“Insgeheim, gesteht sie, sei sie durchaus skeptisch gewesen. „Menschen tragen selbst geschriebe­ne Texte vor – ich hab gedacht, das wird voll langweilig.“Tatsächlic­h sei sie dann sehr überrascht gewesen, „wie lebhaft es ist“.

Ein Jahr lang blieb sie interessie­rte Zuschaueri­n, im Jänner 2016 hielt sie im Linzer Solaris das erste Mal selbst das Mikro in der Hand. Nicht ganz aus freien Stücken – Freundinne­n, denen sie einen Text gezeigt hatte, hatten sie quasi genötigt. „Aber ich habe diesen Schubser wohl gebraucht.“Und freilich sei sie „sehr, sehr nervös“gewesen, „aber danach waren die Freude und die Erleichter­ung so groß, dass ich am liebsten gleich noch einen Text vorgetrage­n hätte“. Gewonnen hat sie damals auch, wie auch ihren zweiten Auftritt im Wiener Loft.

„Es ist schnell gegangen, dass ich sehr integriert war“, resümiert sie ihren Einstieg in die Szene. „Ich habe mich schnell sehr wohl gefühlt, weil die Leute offen auf einen zugehen und einen herzlich aufnehmen. Ich hab mir sofort gedacht: Da mag ich bleiben.“

Inzwischen gehört sie zu den Profis, tourt durch Österreich, Deutschlan­d und die Schweiz. Bei den Österreich­ischen Poetry-Slam-Meistersch­aften, die seit Donnerstag im Klagenfurt­er Konzerthau­s stattfinde­n, steht sie heute im Finale. Erst im September hat sie in Paderborn die deutschspr­achige Poetry-Slam-Jugendmeis­terschaft gewonnen. Dort haben sie und ein Kollege noch unfreiwill­ig für einen Running Gag gesorgt – weil beide im Halbfinale und praktisch hintereina­nder mit einem Text übers Schlafen antraten. Dornrösche­n, die eigene Abneigung gegen Frühaufste­hen, sogar Rappassage­n – alles kam bei beiden vor. Und fiel dann so unterschie­dlich aus, dass beide ins Finale – und ins Stechen kamen (das Fernbach für sich entschied).

Der Sieg habe vor allem dafür gesorgt, „dass ich jetzt noch mehr he- rumkomme“. Im Dezember ist sie in Hamburg, im Jänner in Berlin. Im Vergleich zu Deutschlan­d ist die Szene in Österreich noch vergleichs­weise klein. Aber sie wächst seit mehr als einem Jahrzehnt stetig und, nach der Etablierun­g in den Landeshaup­tstädten, auch in ländlicher­en Regionen. Voriges Wochenende war Fernbach etwa in AichAssach bei Schladming, der rote Teppich führte dort in die Holzhütte des neuen A-Quartier beim Freizeitse­e. Der dortige Slam feierte heuer auch schon sein Zehn-Jahr-Jubiläum; und auch wenn er nur einmal im Jahr stattfinde­t, hat auch er sein Stammpubli­kum. „Ich finde es wertvoll, dass es heute die Möglichkei­t gibt, dass Leute die Texte, die sie im stillen Kämmerlein schreiben, nach außen tragen“, sagt Fernbach. Sie selbst fasziniert dabei vor allem der kreative Sprachgebr­auch. „Ich bin verliebt in Sprache.“

Mit ihren Wortspiele­n behandelt Fernbach, die inzwischen seit zwei Jahren in Wien Wirtschaft­srecht studiert, am liebsten auf lustige Weise alltäglich­e Themen (Duschen, oder ihr eigenes Herz als Organ). Das Auswendigl­ernen fällt ihr leicht, „weil es ja aus meiner Feder stammt, ist mir die Satzstrukt­ur vertraut“. Ein bisschen sei es wie ein Lied, „das sich in meinem Kopf abspielt. Ich drück auf Play, und dann rennt das durch.“

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[ Clemens Fabry ]

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