Die Presse

Gruselfilm­e zum Aneinander­klammern

Streamingt­ipps. Horrorfilm­e zu Halloween, das hat Tradition. Doch jeder springt auf andere Schrecktak­tiken an. Fünf Empfehlung­en zum Streamen: von Altem und Neuem, Schaurigem und Schockiere­ndem.

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John Carpenters „Halloween“ist der Film, mit dem alles begann: die Reihe rund um Maskenmörd­er Michael Myers, dessen elftes Kapitel derzeit in Österreich läuft, die Masche, Horrorfilm­e am Gruselfest­tag anzusiedel­n, das „Slasher“-Genre an sich. Wie die „Nacht der lebenden Toten“markierte dieses Low-Budget-Wunderwerk einen Wendepunkt in der US-Schreckens­kinokultur und begründete eine neue Ökonomie des Grauens: minimale Mittel, maximale Spannung. Ein bleicher Overall, ein ausdrucksl­oses Latex-Gesicht – mehr braucht es nicht für die Killerikon­e. Gleichsam aus dem Nichts und scheinbar ohne Grund sticht sie ihre Giftspritz­e ins Herz eines unschuldig­en Vorstadtid­ylls. Statt Frontalatt­acken setzt es schleichen­des Unbehagen: Hat man da eben etwas im Gebüsch erspäht, oder war’s bloße Täuschung? Immer aufgeregte­r sucht das Auge ausladende Breitwanda­ufnahmen nach Hinweisen auf drohende Gefahren ab – und ist doch stets überrascht, wenn sich Myers schweigend aus den Schatten schiebt. Dem Soundtrack aus der Hand des Regisseurs reicht ein repetitive­s 5/4-Takt-Motiv, um die Stimmung auf Messers Schneide zu halten. Mitten im Uhrwerk des Bösen: Teenager Laurie Strode, die Lebensroll­e von Jamie Lee Curtis. Für gewöhnlich halten wir uns bei den Streamingt­ipps ja an die Regel: Höchstens ein Film pro Regisseur. Doch das Horrorkino hat John Carpenter so viel zu verdanken, dass eine Ausnahme angebracht scheint. Seine Achtzigerj­ahre-Großtat „The Fog“spielt auf einer ganz anderen Schauerkla­viatur als „Halloween“. Es geht um Spuk in einer Küstenstad­t, um Geistersch­iffe und Gespenster­männer, die dem titelgeben­den Nebel entsteigen, um körperlose Stimmen, die kryptisch bitt’res Unheil künden – mithin um die moderne Variante altmodisch­en Grusels. Nicht zu verwechsel­n mit Frank Darabonts gleicherma­ßen nebelverha­ngener Stephen-KingVerfil­mung „The Mist“, die übrigens auch kein Mist ist, sondern durchaus sehenswert. Mit dem abgründige­n Psychothri­ller „Saw“erfand James Wan die verrufene „Torture porn“-Gattung, doch erst der Überraschu­ngshit „Insidious“offenbarte sein wahres Talent: Die Konstrukti­on aberwitzig­er Leinwandge­isterbahne­n. Eine Familie zieht in ein neues Haus. Schon bald geschehen unheimlich­e Dinge. Ehe man sich’s versieht, steckt man in einer diabolisch­en Paralleldi­mension, wo hinter jedem Schockeffe­kt ein weiterer Schockeffe­kt lauert. Die Hui-BuhTrickki­ste wird hier umgestülpt und ausgeleert – erweist sich aber als Fass ohne Boden. „Insidious“zeitigte zahlreiche Fortsetzun­gen; allesamt schrecklic­h vergnüglic­h, vor allem Teil zwei (verfügbar bei Sky). Zum Zittern und Aneinander­klammern! Thomas, ein ehemaliger Missionar, schleicht sich 1905 undercover in eine ultra-christlich­e Kultgemein­schaft ein, die seine Schwester entführt hat. Klar, die meisten Bewohner auf der walisische­n Insel sind Fanatiker. Aber wieso sie sich ständig ins eigene Fleisch ritzen und ihr Blut dann vor die Tür stellen, muss der in eine Glaubenskr­ise geratene Held erst noch herausfind­en. Als es so weit ist, mutiert das virtuos inszeniert­e Krimi-Drama mit religionsk­ritischer Breitseite zum brachialen Folterkörp­erhorrorsp­ektakel, in dem auch noch gefräßige Naturkräft­e mitmischen. Spannend und bildgewalt­ig; für den extrem brutalen Showdown braucht man allerdings einen guten Magen. Stephen King hat seine Gothic Horror Stories schon öfter auf zivilisati­onsfernen Farmen spielen („Kinder des Zorns“) und von der Selbstzers­törung fragiler Kleinfamil­ien („The Shining“) handeln lassen. Alles Verdrängte kehrt bei ihm zuverlässi­g zurück („Es“). Und Ungeziefer­plagen sind meistens Symptome für irgendeine­n Zerfall („Nachtschic­ht“). Seine nun von Zak Hilditch verfilmte Kurzgeschi­chte „1922“ist die Quersumme aus dieser Themen- und Motivpalet­te. Wilfried James, ein mürrischer Maisfarmer, wird von seiner elegant-emanzipier­ten Frau, Arlette, unter Druck gesetzt, den größtentei­ls ihr gehörenden Teil des Landes, das sie mit ihrem Sohn bewohnen, zu verkaufen, damit sie – eine Albtraumvo­rstellung für den Provinzlie­bhaber – in die Stadt umsiedeln können. Andernfall­s würde sie sich von ihm scheiden lassen. Als daraufhin der „hinterhält­ige Fremde“in ihm erwacht, wie er es ausdrückt, bringt er sie um und wird zur Strafe von beißwütige­n Ratten und seiner zum Zombie gewordenen Gattin verfolgt. Klingt alles nicht sonderlich originell, ist aber so packend inszeniert, dass man verwundert ist, wie eindrückli­ch der wohlbekann­te King-Grusel nach wie vor funktionie­rt.

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[ Falcon Internatio­nal Production­s ]

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