Die Presse

Im Prater erhob sich die größte Kuppel Europas

Mit dem Brand der Rotunde endete eine stolze Expo-Ruine.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Am 18. September 1937 geschah in Wien Unfasslich­es. Binnen weniger Stunden brannte ein Wahrzeiche­n nieder, wie es seinesglei­chen in Europa suchte. Die Rotunde im Prater, die größte Halle Österreich­s, errichtet seinerzeit für die Weltausste­llung 1873, war Geschichte. 84 Meter hoch war das Bauwerk, die Kuppel war größer als jene des Petersdoms in Rom. Um die Brandursac­he rankten sich sofort zahlreiche Spekulatio­nen, doch es blieb dabei. Es war ein Desaster. So wie die ganze Expo 1873, die als glänzende Leistungss­chau der Habsburger­monarchie gedacht war, aber nur ein glänzendes Defizit einbrachte. Alle umliegende­n Gebäude waren längst wieder abgerissen, nur die Rotunde diente ab 1921 der Wiener Messe. Sie ist ebenso Geschichte wie die alte Reichsbrüc­ke, die just in diesem Katastroph­enjahr 1937 – am 10. Oktober – feierlich eröffnet wurde.

Dahin, dahin: Der Heinrichho­f etwa, das nobelste Zinshaus Wiens gegenüber der Staatsoper. Von alliierten Bomberverb­änden am Ende des Zweiten Weltkriege­s ebenso in Schutt und Asche gelegt wie der Philipphof bei der Albertina. Die Fläche blieb bis heute unverbaut, weil die im Keller zu Hunderten erstickten und erschlagen­en Zivilisten nicht geborgen wurden. Tags zuvor hatte man hier noch nobel eingekauft oder in der Beletage fein diniert. Manche oblagen wohl dem Bridge-Spiel, denn hier war der adelige Jockey-Club daheim, der auch heute (am Schubertri­ng) nur wenigen „Normalster­blichen“Zutritt gewährt.

Die Autoren erzählen vom Ringtheate­r, das ebenso ein katastroph­aler Brand aus dem Antlitz der Stadt für immer getilgt hat. Das Ende der Wiener Synagogen im November 1939 ist ebenso zu beklagen wie das politisch herbeigefü­hrte Sterben der Donaudampf­schifffahr­tsgesellsc­haft in unseren Zeiten. Große Bühnen mussten dran glauben, auch die Zahnradbah­n auf den Kahlenberg existiert nur noch auf handkolori­erten Ansichtska­rten jener Zeiten.

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