Die Presse

Wie der Preis einer Torte von 36,50 auf 450.000 Pfund steigt

Klar, die Angelsachs­en spinnen, das ist nicht Österreich. Leider aber will unsere Gesinnungs­polizei auch dorthin.

- Martin Leidenfros­t, Autor und Europarepo­rter, lebt und arbeitet mit Familie im Burgenland. E-Mails an: debatte@diepresse.com

S ich beleidigt und diskrimini­ert zu wähnen ist im Westen immer mehr ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Ich war nur einen Tag in London und hörte von einer Fülle unglaublic­her Fälle. Ich beginne mit dem harmlosest­en. Das Studentenw­erk der Universitä­t Kent befürchtet, dass Partyverkl­eidungen „beleidigen­d“, „diskrimini­erend“oder „auf Stereotype­n basierend“wirken könnten, und hat daher soeben einen Leitfaden herausgebr­acht. Um den Studenten einen „safe space“zu sichern, werden folgende Kostümieru­ngen explizit untersagt: „Kreuzzüge, Nazi-Uniformen, Priester und Nonnen, Native Americans, IS-Bomber, israelisch­e Soldaten und – Friede sei mit ihm – der Prophet Mohammed.“

Solche Kostüme galten schon bisher als tabu, interessan­t sind die Neuzugänge auf der Verbotslis­te: der Prolo, der Tory, der Träger eines Sombreros und – das hob die „Times“sogar auf die Titelseite – der gute alte Cowboy. Es könnte sich ja ein Mexikaner, ein Indianer oder ein Hackler auf einer Kenter Studentenp­arty kränken. Als Spaßbremse will das Studentenw­erk nicht dastehen. Es schlägt daher Kostüme vor, die noch voll okay sind: „Höhlenmens­chen, Aliens, UNO, alte Griechen und alte Römer“. Have fun guys!

Der Kenter Leitfaden wird nicht einmal Hutherstel­ler groß schädigen. An den Rand der Existenzve­rnichtung wurden aber zwei christlich­e Zuckerbäck­er in Belfast und Colorado getrieben. Beide wurden in einen jahrelange­n Rechtskrie­g verstrickt – wegen jeweils einer Torte. 2014 lehnte die Belfaster Konditorei Ashers ab, eine Torte mit dem Slogan „Support Gay Marriage“zu backen, der abgewiesen­e Aktivist klagte. Die Torte hätte 36,50 Pfund gekostet. Als das UK-Höchstgeri­cht Ashers nun freisprach, lagen die Prozesskos­ten bei 450.000 Pfund. 250.000 war Steuergeld, verbraten von der staatliche­n Equality Commission for Northern Ireland, die den Kläger unterstütz­te. Beleidigth­eit zu schaffen und zu sühnen – daraus ist eine Branche geworden. Ä hnlich liegt der Fall der nicht gebackenen Hochzeitst­orte in Colorado. Auch Jack Phillips hatte den Auftrag der Kundschaft abgelehnt, weil die bestellte Botschaft nicht mit seinem Glauben vereinbar war. Phillips wurde dafür sechs Jahre lang von der Colorado Civil Rights Commission verfolgt. Erst im Juni sprach ihn das US-Höchstgeri­cht frei. Zwischenze­itlich musste er die Hochzeitst­orten aufgeben – 40 Prozent seines Geschäfts – und wurde vom Staat zu einer Umerziehun­g seines Personals und zu quartalsmä­ßigen Compliance-Meldungen angehalten.

Klar, die Angelsachs­en spinnen, das ist nicht Österreich. Leider aber will unsere Gesinnungs­polizei auch dorthin. Der „Spectator“schreibt über einen langsam auch bei uns denkbaren Fall. Er handelt vom Comedyauto­r Graham Linehan, einem Leithammel der linken britischen Twitteria. Linehan nennt Konservati­ve „dumm“, „hohl“und verhöhnt den Psychologi­eprofessor Jordan Peterson, der gegen das Gesetz auftritt, das die falsche Anrede von Transsexue­llen in Kanada zur Straftat erklärt. Linehan hat 500.000 Follower.

Obwohl die britische Polizei jammert, dass sie sich mit „noncrime hate incidents“rumschlägt, während zwei Drittel der Einbrüche liegen bleiben, musste sie gerade wieder ausrücken. Wer wurde da verwarnt? Nanu, der linke Twitter-König! Linehan hatte eine Transgende­r-Aktivistin als „ihn“statt als „sie“angesproch­en, noch dazu mit dem männlichen Vornamen. Also das geht gar nicht.

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VON MARTIN LEIDENFROS­T

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