Die Presse

Einen Moment! Nur noch kurz die Welt retten . . .

Durch die mobile Kommunikat­ion wird der Arbeitsort unwichtige­r. Die Grenze zwischen Beruf und Privatlebe­n verschwimm­t. Forscher der TU Wien untersucht­en, wie sehr dies das Wohlbefind­en bedroht.

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Es muss ja nicht gleich Digital Detox sein, also der völlige Verzicht auf digital vernetzte Kommunikat­ion, wenn man eine Zeit lang nicht von Onlinebots­chaften gestört werden will. Forscher und Forscherin­nen der TU Wien raten als Konsequenz aus einer aktuellen Studie über die Nutzung von Smartphone­s zunächst einmal zu einem reflektier­ten und regulierte­n Umgang damit.

„Wer ständig sein Handy nutzt, ist weniger zufrieden mit dem Leben allgemein, aber auch mit der Arbeit im Speziellen“, erklärt Martina Hartner-Tiefenthal­er vom Institut für Management­wissenscha­ften. „Wer am Wochenende zwischendu­rch E-Mails liest, beschäftig­t sich unbewusst weiter damit, auch wenn diese nicht sofort bearbeitet werden.“Deshalb empfiehlt Hartner-Tiefenthal­er, Zeiten ohne Smartphone und E-Mails einzuplane­n. Es sei sinnvoll, diesbezügl­iche Erwartunge­n mit dem Arbeitgebe­r zu klären.

Österreich liegt bei der Smartphone­nutzung der Bevölkerun­g zwischen 16 und 74 Jahren in der Europäisch­en Union an siebter Stelle. 82 Prozent der Österreich­erinnen und Österreich­er sind über das Smartphone vernetzt – und zwar sowohl privat als auch im Arbeitsleb­en.

Welche Auswirkung­en hat die Smartphone­nutzung nun konkret auf Wohlbefind­en und Arbeitserl­eben der Menschen? Das fragten die Forscher und Forscherin­nen in Zusammenar­beit mit der Arbeiterka­mmer Niederöste­rreich. Die Forschungs­gruppe Industrial Software der TU Wien entwickelt­e für das Forschungs­vorhaben eine eigene App, Ylvi (Your Latest Verified Usage Informatio­n). Mit Ylvi kann die Nutzung des Geräts, auf dem das Programm installier­t ist, aufgezeich­net werden.

So gelang es zu erfassen, welche Apps die 149 Teilnehmer und Teilnehmer­innen an der Studie wie oft und wie lang nutzten. Au- ßerdem gaben diese auf Fragebögen und mit Kurztagebu­cheinträge­n Auskunft darüber, wie sie sich fühlten und ihren vorherigen Tag erlebt hatten. Objektive Nutzungsda­ten und die subjektive Selbsteins­chätzung wurden kombiniert miteinande­r ausgewerte­t. Bezeich- nend: Alle Beteiligte­n unterschät­zten den Anteil der Zeit, den sie täglich am Smartphone mit Nachrichte­ndiensten verbrachte­n.

Im Durchschni­tt aktivierte­n die Probanden ihr Smartphone 44 Mal am Tag, alle 13 Minuten, für insgesamt zweieinhal­b Stunden täglich. Diejenigen, die am häufigsten einschalte­ten, waren insgesamt durchschni­ttlich 237 Minuten am Smartphone. Diese Gruppe – der Altersdurc­hschnitt lag bei 32 Jahren – wurde als intensive Nutzer bezeichnet. Zur Gruppe der moderaten Nutzer zählten deutlich mehr Männer, der Altersdurc­hschnitt lag hier bei 44 Jahren. „Intensive Nutzerinne­n und Nutzer waren deutlich unzufriede­ner mit ihren Arbeitstag­en als moderate“, so Hartner-Tiefenthal­er. „Sie erleben mehr Langeweile am Arbeitspla­tz und sind weniger in ihre Arbeit vertieft. Das kann an der intensiven Smartphone­nutzung liegen. Es kann aber auch umgekehrt sein“, erklärt die Psychologi­n.

Ein interessan­tes Ergebnis ist, dass intensive Smartphone­nutzer an Nichtarbei­tstagen mehr Stress und Zeitdruck erleben als moderate. „Hinsichtli­ch der subjektive­n Schlafqual­ität und der Erholungsq­ualität gibt es jedoch keine Unterschie­de. Jüngere Menschen schlafen oft noch besser“, so HartnerTie­fenthaler.

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