Chance nutzen! Und zwar: jetzt
Yuval Noah Hararis Allerweltslektionen: Triviales und Banales, dem man zustimmen muss.
Ein Buch, bei dessen Lektüre der Rezensent sich gehalten sieht, andauernd heftig zu nicken, sollte nur in den höchsten Tönen gelobt werden, oder? Beispielsweise habe ich gleich eingangs heftig genickt, als ich an jene Stelle kam, wo der Autor über die „freiheitliche Demokratie“sagt, es handle sich um „das erfolgreichste und wandlungsfähigste politische Modell“, das die Menschen zuwege brachten, „um mit den Herausforderungen der modernen Welt fertig zu werden“. Bravo!
Als ich dann weiterlas, über dies und das, nämlich über die technologische und politische Herausforderung, über Terrorismus und Krieg, über Gott und die Welt, über Wahrheit und Widerstandsfähigkeit, begann ich zu blättern. Da standen viele wohlbekannte Worte („Resilienz“ausgenommen), die sich zu leicht lesbaren Sätzen fügten, die Erkenntnisse aussprachen, die allesamt für Vorträge auf dem gehobenen Volksbildungsniveau brauchbar gewesen wären. Aber bitte, ich bin der Letzte, der sich über derartige Veranstaltungen mokieren wollte, im Gegenteil.
Doch da ich ein Buch in Händen hielt, das den Anspruch erhebt, extrem hellsichtig, extrem originell und extrem hilfreich für die künftige Aufgabenbewältigung von was auch immer zu sein, war ich zwar nicht gerade auf eine Offenbarung, aber jedenfalls auf eine neuartige Perspektive gefasst, welche die Kapazitäten jedes durchschnittlichen Vortragsredners weit überstiegen hätte. „Als Steinmesser sich nach und nach zu Atombomben entwickelten, wurde es, erstens, immer gefährlicher, die soziale Ordnung zu destabilisieren. Und als aus den Höhlenmalereien langsam Fernsehsendungen wurden, wurde es, zweitens, immer einfacher, die Menschen zu täuschen.“So endet das Buch, nicht ohne uns abschließend zu versichern, dass uns, um die negativen Auswirkungen der genannten „Fortschritte“einzudämmen, noch ein paar Jahre, maximal Jahrzehnte blieben.
Immerfort heftig nickend
Daher: „Wenn wir diese Chance nutzen wollen, sollten wir das jetzt tun.“Meinerseits, der sich – immerfort heftig nickend – querlesend durch das Buch geackert hatte, ein letztes heftiges Nicken: Jawohl! Ich habe selten ein Buch konsumiert, dem ich ausnahmslos derart heftig zustimmen konnte, freilich nicht ohne jene narzisstische Kränkung, die ich, selbst Urheber mannigfacher sozialanalytischer und gesellschaftskritischer Texte, nicht gänzlich unterdrücken kann.
Vieles von dem, was uns der berühmte Autor als Diagnose und Rat mitgibt, hat sich unsereiner auch schon gedacht, indes nicht geschrieben, weil das Ganze dann doch zu vage oder trivial gewesen wäre. Und nein, ich rede nicht von Richard David Precht. Es handelt sich vielmehr um das neueste Buch von Yuval Noah Harari, dessen „Kurze Geschichte der Menschheit“die Kritiker begeisterte, ebenso wie sein Nachfolgewerk „Homo Deus“, das Buch über die Zukunft des Homo sapiens, der das Genesiswort, wonach Gott dem Menschen nach seinem Bilde schuf, allzu wörtlich nimmt.
Ich bin also in der paradoxen Situation eines Rezensenten, dem nichts übrig bleibt, als die „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“auf das Heftigste zu empfehlen, wiewohl er, wäre er noch vom Schlag der Denkzuchtmeister von einst, es ganz oben auf den Stapel all der unbesprochenen dickleibigen Bücher gelegt hätte, die uns allen sagen, wo’s fünf vor zwölf langgeht.