Die Bäumchen leer, das Säckchen voll –
Kreta. Wenn der warme Winterwind das Klappern der Rüttler übers Land trägt, ist Erntezeit in Griechenland: Die Olivenölerzeugung ist die Krönung des ganzen Jahres.
Sonne liegt über der Insel, und überall ist jetzt das trockene Geknatter zu hören. In den Olivenhainen von Kostas wird seit dem frühen Morgen fleißig geerntet, und auch oben auf dem Hang bei Dimitris geht es nun los. In ganz Griechenland stehen nun im Oktober alle Zeichen auf Ernte. Die Olivenpressen öffnen, die Netze liegen unter den Bäumen, und auch im Kafenion gibt es kein anderes Gesprächsthema mehr. „Wird das Wetter halten?“, fragen sich die Bauern. „Wann ist der richtige Zeitpunkt zur Ernte?“, erkundigen sich die zugereisten Neo-Olivenbauern.
Dieses Jahr spielt das Wetter mit. Auch unsere Jungbäume tragen gut. Für die Dreijährigen genügt noch das Pflücken per Hand. Von Baum zu Baum gehend, füllen wir die kleinen Plastikeimer. Bis zum Sonnenuntergang sollte der Erntesack voll sein.
Kreta, der südlichste Punkt Europas, hat mit 300 Sonnentagen im Jahr die besten Bedingungen für den Olivenanbau. Zwischen den mächtigen Gebirgsmassiven breiten sich fruchtbare Hochebenen und weite Olivenhaine aus. Die größte griechische Insel zählt auch zu den größten Olivenölexporteuren der EU. Auf knapp der Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche Kretas stehen mehr als 16 Millionen Ölbäume.
Oliven werden seit der Antike händisch, mit Stöcken oder einer Art Kamm geerntet. In kleineren Hainen kommen heute Olivenrüttler zum Einsatz, benzin-, akkuoder strombetriebene Zinken an einer langen Stange. Die Früchte werden durch die Bewegung heruntergeschleudert und landen auf einem ausgelegten Netz. Große Plantagen fährt man mit einem Vollernter ab, der über dem Baum Greifarme ausfährt, die die Krone mit einem Netz umspannen. Der Ölbaum, der jetzt wie ein verpackter Weihnachtsbaum aussieht, wird kräftig durchgerüttelt, um die Früchte abzulösen. Den eigenen Bäumen will man das ersparen. Sie sollen in Frieden zu hübschen, knorrigen Bäumen heranwachsen und mindestens 1000 Jahre alt werden. So wie der Baum von Kavousi in Nordostkreta, einem der ältesten Olivenbäume der Welt.
Nach einigen Stunden Arbeit sind die Bäumchen leer und ist der Sack voll: 25 Kilogramm Oliven beträgt die stolze Ausbeute im dritten Erntejahr. Mit dieser kleinen Menge reihen wir uns vor der Olivenpresse ein, zwischen den mit Ton- nen von Oliven beladenen Pickups. Die Bauern, die heute mit vielen Helfern ihre Ernten eingefahren haben, schauen zuerst ungläubig, dann fragend und schließlich lächelnd auf unseren kniehohen Sack, der einsam zwischen den hochbeladenen Autos steht. Irgendwann fängt jeder einmal an. Sie nicken uns aufmunternd zu, wissend, dass, wenn man einmal das eigene Öl probiert hat, für den Rest des Lebens kein fremdes Olivenöl mehr auf den Tisch kommen wird.
Nach dem Wegblasen der Olivenblätter werden die Früchte gewaschen. Durch das Mahlen werden die Zellvakuolen im Fleisch und Samen aufgebrochen. Anders als andere Speiseöle wird Olivenöl aus der ganzen Frucht gewonnen,