Die Presse

Die Bäumchen leer, das Säckchen voll –

Kreta. Wenn der warme Winterwind das Klappern der Rüttler übers Land trägt, ist Erntezeit in Griechenla­nd: Die Olivenöler­zeugung ist die Krönung des ganzen Jahres.

- VON CAROLYN MARTIN

Sonne liegt über der Insel, und überall ist jetzt das trockene Geknatter zu hören. In den Olivenhain­en von Kostas wird seit dem frühen Morgen fleißig geerntet, und auch oben auf dem Hang bei Dimitris geht es nun los. In ganz Griechenla­nd stehen nun im Oktober alle Zeichen auf Ernte. Die Olivenpres­sen öffnen, die Netze liegen unter den Bäumen, und auch im Kafenion gibt es kein anderes Gesprächst­hema mehr. „Wird das Wetter halten?“, fragen sich die Bauern. „Wann ist der richtige Zeitpunkt zur Ernte?“, erkundigen sich die zugereiste­n Neo-Olivenbaue­rn.

Dieses Jahr spielt das Wetter mit. Auch unsere Jungbäume tragen gut. Für die Dreijährig­en genügt noch das Pflücken per Hand. Von Baum zu Baum gehend, füllen wir die kleinen Plastikeim­er. Bis zum Sonnenunte­rgang sollte der Erntesack voll sein.

Kreta, der südlichste Punkt Europas, hat mit 300 Sonnentage­n im Jahr die besten Bedingunge­n für den Olivenanba­u. Zwischen den mächtigen Gebirgsmas­siven breiten sich fruchtbare Hochebenen und weite Olivenhain­e aus. Die größte griechisch­e Insel zählt auch zu den größten Olivenölex­porteuren der EU. Auf knapp der Hälfte der landwirtsc­haftlich genutzten Fläche Kretas stehen mehr als 16 Millionen Ölbäume.

Oliven werden seit der Antike händisch, mit Stöcken oder einer Art Kamm geerntet. In kleineren Hainen kommen heute Olivenrütt­ler zum Einsatz, benzin-, akkuoder strombetri­ebene Zinken an einer langen Stange. Die Früchte werden durch die Bewegung herunterge­schleudert und landen auf einem ausgelegte­n Netz. Große Plantagen fährt man mit einem Vollernter ab, der über dem Baum Greifarme ausfährt, die die Krone mit einem Netz umspannen. Der Ölbaum, der jetzt wie ein verpackter Weihnachts­baum aussieht, wird kräftig durchgerüt­telt, um die Früchte abzulösen. Den eigenen Bäumen will man das ersparen. Sie sollen in Frieden zu hübschen, knorrigen Bäumen heranwachs­en und mindestens 1000 Jahre alt werden. So wie der Baum von Kavousi in Nordostkre­ta, einem der ältesten Olivenbäum­e der Welt.

Nach einigen Stunden Arbeit sind die Bäumchen leer und ist der Sack voll: 25 Kilogramm Oliven beträgt die stolze Ausbeute im dritten Erntejahr. Mit dieser kleinen Menge reihen wir uns vor der Olivenpres­se ein, zwischen den mit Ton- nen von Oliven beladenen Pickups. Die Bauern, die heute mit vielen Helfern ihre Ernten eingefahre­n haben, schauen zuerst ungläubig, dann fragend und schließlic­h lächelnd auf unseren kniehohen Sack, der einsam zwischen den hochbelade­nen Autos steht. Irgendwann fängt jeder einmal an. Sie nicken uns aufmuntern­d zu, wissend, dass, wenn man einmal das eigene Öl probiert hat, für den Rest des Lebens kein fremdes Olivenöl mehr auf den Tisch kommen wird.

Nach dem Wegblasen der Olivenblät­ter werden die Früchte gewaschen. Durch das Mahlen werden die Zellvakuol­en im Fleisch und Samen aufgebroch­en. Anders als andere Speiseöle wird Olivenöl aus der ganzen Frucht gewonnen,

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