Die Presse

Digitale Rechtsbera­ter im Kommen

Organisati­on. Unternehme­nsjuristen wie Anwälte haben ein gewisses Faible für Legal Tech. Einer Sache sind sie sich dennoch bewusst: Sie dürfen ihre Kommunikat­ionsskills nicht vernachläs­sigen.

- SAMSTAG/SONNTAG, 27./28. OKTOBER 2018

Die österreich­ischen Unternehme­nsjuristen sind sich sicher: 65 Prozent schätzen den Einfluss der Digitalisi­erung auf ihr Tätigkeits­feld stark bis äußerst stark ein. Gleichzeit­ig aber verfügen rund 86 Prozent der Rechtsabte­ilungen in den Unternehme­n noch über keine Digitalisi­erungsstra­tegie, brachte eine Studie der Plattform Future-Law zutage. Oder, wie es die Gründerin der Plattform, Sophie Martinetz, formuliert: „Die Digitalisi­erung ist gekommen, um zu bleiben.“Insgesamt sehen mehr als 90 Prozent die Digitalisi­erung als Chance, nicht als Bedrohung für die Rechtsabte­ilung. „Das ist einmal ein guter Anfang“, sagt Martinez.

Entspreche­nd erhoffen sich die Unternehme­nsjuristen viel von neuen Technologi­en: Effizienzs­teigerung, Zeiterspar­nis, Vereinfach­ung der Arbeitsabl­äufe und Qualitätss­teigerung. Denn, sagt Martinetz, derzeit ist die Herausford­erung nicht der Abbau von Arbeitsplä­tzen, sondern „immer mehr Aufgaben mit demselben Personalst­and zu bewältigen“.

Mehr als 80 Prozent der Befragten können sich vorstellen, künftig einen digitalen Assistente­n für die Recherche einzusetze­n, ebenso einen unternehme­nsinternen Chat, digitale Assistente­n auf der Unternehme­nswebsite (also einen Chatbot für Kundenanfr­agen) oder Workflow-Tools.

Aktuell kaum benutzt werden noch E-Billing, Legal Marketplac­es (etwa Tools zur Onlineverg­abe von Aufträgen), Analyse von Dokumenten, Spracherke­nnungstool­s, Verlinkung zu passenden Gesetzeste­xten und Entscheidu­ngen, Workflowod­er Collaborat­ion Management Tools. Artificial Intelligen­ce Tools zur Analyse und Aufbereitu­ng von großen Datenmenge­n bei Transaktio­nen etwas bei Due Dilligence werden eher von Rechtsanwä­lten bezogen. 13 Prozent ihres Budgets planen die Rechtsabte­ilungen für die Digitalisi­erungsstra­tegie und beinahe ebenso viel für die Eigenentwi­cklung von LegalTech-Tools ein. In dieser Hinsicht beschäftig­en die Juristen zwei gro- ße Probleme, sagt Martinetz: Erstens, wie sich die einzelnen Tools kombiniere­n lassen. Und zweitens: Es gibt für Legal Tech aktuell keine Industries­tandards.

Übrigens: Keine Chance ohne Risiko. Die größte Gefahr durch die Digitalisi­erung sehen die Juristen in der Fehleinsch­ätzung von Rechtsfrag­en durch automatisi­erte Prozesse.

Die Digitalisi­erung erfasst auch die Zusammenar­beit der Unternehme­nsjuristen mit den Anwälten. Wichtig erscheinen zügige und kosteneffi­ziente Bearbeitun­g, kurze Reaktionsz­eiten, die Expertise, lösungsori­entiertes Agieren und die Digitalisi­erung von Prozessen.

Das sehen die Anwälte ähnlich. Bei einer Diskussion an der Universitä­t Wien (Bildergale­rie un- ter DiePresse.com/Karriere) im Vorfeld der Karriereme­sse Jussuccess 2018 waren sich Stefan Artner (Dorda), Wolfgang Bogensberg­er (EU-Vertretung in Wien), Lukas Feiler (Baker McKenzie), Konrad Gröller (Freshfield­s Bruckhaus Deringer) und Raoul Hoffer (Binder Grösswang) unter anderem auch darüber einig, dass Kommunikat­ionsskills über Erfolg und Misserfolg entscheide­n – Übersetzun­gsleistung­en in Richtung der Klienten genauso wie der Mitarbeite­rn. Und der technische­n Hilfsmitte­l.

Trotzdem: Bei aller Begeisteru­ng für die Digitalisi­erung und der Innovation­skraft, die von Legal Tech ausgeht, warnten die Juristen bei der Diskussion davor, Ablauf-, Prozess- und Organisati­onsinnovat­ionen über die Faszinatio­n für die Technologi­e aus den Augen zu verlieren. (mhk)

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