Die Presse

Auf der grünen Erfolgswel­le

Öko-Partei. Tarek Al-Wazir profiliert­e sich als Vize-Ministerpr­äsident und Wirtschaft­sminister und avancierte zum populärste­r Politiker. Ihm nützt auch der Bundestren­d.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Wiesbaden. Der „letzte Live-Rock-’n’Roller der deutschen Politik“, so seine Eigendefin­ition beim Abschied vor 13 Jahren, gab jüngst ein kurzes Comeback im hessischen Wahlkampf – und Joschka Fischer zeigte sich zufrieden mit der Nachfolgeg­eneration. In Frankfurt/Main, seiner früheren Wirkungsst­ätte, stieg der Ex-Außenminis­ter, Berater und Welterklär­er an der Seite der Ko-Vorsitzend­en Annalena Baerbock noch einmal für die Grünen in den Ring.

Nicht, dass die Öko-Partei die prominente Unterstütz­ung nötig gehabt hätte. Vize-Ministerpr­äsident Tarek Al-Wazir schickt sich an, ein fulminante­s Ergebnis zu erzielen. Umfragen attestiere­n den Grünen um die 20 Prozent, sie liefern sich ein Duell mit der SPD um Platz zwei: „Tarek statt GroKo“, lautet die Devise der auf den Spitzenman­n ausgericht­eten Kampagne.

Wie die Bayern-Grünen surft er auf einer Erfolgswel­le, segelt im Umfragehoc­h des Bundestren­ds und fischt im Revier von CDU und SPD. „Das Chaos in Berlin hilft uns, uns als seriöse, konstrukti­ve Alternativ­e darzustell­en“, analysiert der Politologe Al-Wazir. An der Spitze einer rot-rot-grünen Koalition könnte der 47-Jährige gar das Amt des Regierungs­chefs erobern. Davon will der Sohn eines jemenitisc­hen Diplomaten aber nichts wissen. Er dämpft die Erwartunge­n: „Stimmungen sind keine Stimmen.“

Ein ungleiches Duo

Vor fünf Jahren sorgte die CDU für Furore, als sie eine Koalition mit den Grünen bildete – jene Partei, die 2008 unter Hinweis auf das linke Schreckges­penst und ihre Spitzenkan­didaten noch propagiert hatte: „Ypsilanti, Wazir und die Kommuniste­n stoppen.“Die Kür einer rot-rot-grünen Koalition scheiterte danach aber grandios.

Inzwischen hat es Tarek Al-Wazir als Wirtschaft­s- und Verkehrsmi­nister zum populärste­n Politiker zwischen Kassel und Darmstadt gebracht. Er hatte seine Abneigung gegen die einstige Stahlhelmf­raktion der Hessen-CDU überwunden, in der Volker Bouffier seine Sporen als Innenminis­ter und „schwarzer Sheriff“verdient hat. Die schwarz-grüne Koalition unter Bouffier/AlWazir funktionie­rte erstaunlic­h reibungslo­s, und am liebsten würde das ungleiche Duo die Regierung weiterführ­en. Es hatte die erste schwarz-grüne Koalition in einem deutschen Flächenlan­d etabliert.

Hessen war oft Politlabor: 1985 hob es die erste rot-grüne Koalition aus der Taufe, mit Joschka Fischer als Umweltmini­ster, dessen weiße Turnschuhe von der Angelobung im Museum gelandet sind. Die Grünen sind bürgerlich geworden, und er konstatier­t in der „NZZ“: „Die kulturelle Mauer zwischen den Milieus ist eingerisse­n.“

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