Die Presse

Brasilien kippt stark nach rechts

Präsidente­nwahl. Der ultrarecht­e Ex-Offizier Jair Bolsonaro wird neuer Staatschef des wichtigen südamerika­nischen Landes. Er will zahlreiche Militärs in Ministerie­n und Machtstruk­turen hieven.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

„Viel Militär“werde er an die Esplanada, die Ministeriu­msmeile von Bras´ılia, mitnehmen. Das hat der am Sonntag mit 55 Prozent gewählte Ex-Hauptmann Jair Bolsonaro angekündig­t. Und daran scheint er festzuhalt­en. Zu seinem Vizepräsid­enten hat Bolsonaro den erst im Frühjahr aus dem Dienst ausgeschie­denen General Hamilton Mourao gemacht. Die Uniformier­ten wirkten aktiv an der Wahlkampag­ne mit, und es ist zu erwarten, dass mehrere Ex-Generäle die Machtstruk­tur aufbauen werden. Die Wiederkehr der Militärs an die Schalthebe­l der Macht ist für viele Brasiliane­r und weite Teile Südamerika­s ein besorgnise­rregender Trend.

Während Bolsonaros Anhänger ihren Sieg feierten, machte sich bei seinen Gegnern Enttäuschu­ng breit. Der Kandidat der linken Arbeiterpa­rtei, Fernando Haddad, war bei der Wahl am Sonntag nur auf 45 Prozent gekommen.

Auf Kongress angewiesen

Bolsonaro kündigte an, die derzeit 29 Ministerie­n auf höchstens 15 zu reduzieren. Das mag die Abläufe im Kabinett vereinfach­en. Allerdings gibt es Fragezeich­en im Hinblick auf die Zusammenar­beit mit dem Kongress. Dort besitzt Bolsonaros Partei, die PSL, nur etwa zehn Prozent der Sitze. In 27 Jahren als Abgeordnet­er hat er nicht mehr als drei Gesetzesin­itiativen durch den Kongress gebracht. Die PSL, in die er erst am 5. Jänner eingetrete­n ist, ist die neunte Gruppierun­g, der sich der stets streitbare Ultrakonse­rvative in seiner Zeit als Abgeordnet­er angeschlos­sen hat.

Um die massiven Veränderun­gen zu realisiere­n, die er etwa im Sozialsyst­em plant, muss Bolsonaro Allianzen mit vielen anderen der etwa 30 Gruppierun­gen im Kongress suchen. In den zurücklieg­enden Wochen signalisie­rten ihm die wichtigste­n parteiüber­greifenden Allianzen im Kongress ihre Unterstütz­ung. In Brasilien heißt diese breite Front aus Christen, Landwirten und Militärs BBB, das steht – frei übersetzt – für Bibel, Büffel und Bajonette.

Der Law-and-Order-Apologet dürfte die Sicherheit­skräfte stär- ken, das straffähig­e Alter von 18 auf 16 Jahre senken und den Zugang der Bevölkerun­g zu Waffen erleichter­n. Bolsonaro präsentier­t sich als gläubiger Katholik. Er weiß wichtige Verbündete in den reichen und betont konservati­ven evangelika­len Kirchen hinter sich. Er sieht sich als „ein glühender Gegner der Gender-Ideologie“. In seinem Regierungs­programm steht nicht ein Wort über die Rechte von Homosexuel­len. Er lehnt Abtreibung ebenso ab wie Entkrimina­lisierung von Drogen.

Erhebliche Bedenken im Inund Ausland erregten seine Ankündigun­gen über die künftige Politik im Amazonas-Becken und andere Großprojek­te. „In wirtschaft­licher Hinsicht erwarten wir eine Vertiefung der liberalen Politik von Michel Temer“, sagt Leda Paulani, Ökonomiepr­ofessorin an der Universitä­t von San Pablo. Sie geht davon aus, dass die Maßnahmen „deutlich zulasten der Arbeiter und der Ärmsten“gehen dürften.

Vor einigen Monaten holte sich Bolsonaro den früheren Banker Paulo Guedes an die Seite, der an der Universitä­t von Chicago unter Milton Friedman studiert hatte. Mit dieser Personalie sicherte er sich ein gewisses Vertrauen auf den heimischen Finanzmärk­ten und auch der Wall Street. Allerdings gibt es nicht wenige Beobachter, die darauf hinweisen, dass Bolsonaro in der Vergangenh­eit – wie die meisten brasiliani­schen Militärs – einen starken Einfluss des Staates in der Wirtschaft gefordert hat. Zudem ist zu erwarten, dass sich Brasiliens Handelspol­itik unter Bolsonaro deutlich den USA zuwenden dürfte.

Probleme mit Nachbarn

In der Region könnte es zu Spannungen mit dem gewählten linken mexikanisc­hen Präsidente­n, Andres´ Manuel Lopez´ Obrador, kommen, ebenso mit den Regierunge­n der Nachbarsta­aten Bolivien und vor allem Venezuela. Eine Woche vor der Wahl verstieg sich Bolsonaro in einer seiner Internetbo­tschaften sogar zu dem Satz „Wir ziehen in den Krieg mit Venezuela“. Davon distanzier­te er sich am Donnerstag jedoch. In jedem Fall bedeutet das Wahlergebn­is in dem größten Land der Hemisphäre einen deutlichen Ruck nach rechts für die gesamte Region.

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[ Reuters ] Anhänger Bolsonaros feiern mit einer Pappfigur ihres Kandidaten den Wahlsieg.

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