Die Presse

Diesel teurer als Benzin

Die Nachfrage nach dem Kraftstoff ist trotz Dieselgate ungebroche­n hoch. In den vergangene­n Wochen kam es vermehrt zu Lieferengp­ässen, der Dieselprei­s an der Tankstelle geht durch die Decke. Das Nadelöhr liegt in Deutschlan­d.

- VON MATTHIAS AUER

Die Nachfrage nach dem Kraftstoff ist hoch, doch es gibt Engpässe.

Dieselfahr­er tanken günstiger. Nach diesem nur scheinbar ehernen Gesetz kalkuliert­en Autokäufer seit Jahrzehnte­n. In der Debatte um Abgasaffär­e und Dieselfahr­verbote diente der Preisvorte­il an der Zapfsäule immer noch als letzter Strohhalm für Dieselfahr­er. Doch seit einigen Tagen ist es damit vorbei – zumindest in Österreich. An etlichen Tankstelle­n im Land kostet ein Liter Diesel mittlerwei­le mehr als ein Liter Superbenzi­n. Wie konnte es so weit kommen?

Am Finanzmini­ster liegt es jedenfalls nicht. Seit Jahrzehnte­n besteuert der heimische Fiskus Dieselkraf­tstoffe deutlich geringer als Benzin. Knapp zehn Cent Steuern je Liter sparen sich Endkunden, wenn sie Diesel statt Benzin tanken. Das kostet den Staat zwar etliche Hundert Millionen Euro an möglichen Steuereinn­ahmen im Jahr, freut aber die Bauern und bringt ein Vielfaches an Steuern aus dem Tanktouris­mus. Inzwischen reicht das Steuergesc­henk aber nicht mehr aus, um die gestiegene­n Dieselprei­se auf dem Markt auszugleic­hen. In den ver- gangenen zwölf Monaten kletterte der Dieselprei­s an der Rotterdame­r Rohstoffbö­rse um 30 Prozent, während jener für Benzin zuletzt sogar deutlich gesunken ist.

Zu wenig Wasser für Tankschiff­e

Das liegt einerseits an der guten wirtschaft­lichen Lage in Europa, die die Nachfrage nach Dieselkraf­tstoffen in die Höhe treibt. Auch der Großteil der Autofahrer in Österreich ist weiterhin mit einem Dieselauto unterwegs. Im Vorjahr stieg der Dieselverb­rauch trotz der Abgasaffär­e um knapp drei Prozent. Das allein wäre kein Grund zur Sorge. Denn es ist mehr als genug Kraftstoff vorhanden – nur leider am falschen Ort.

Das Nadelöhr heißt Deutschlan­d, wo 70 Prozent der 4,7 Millionen Tonnen Diesel herkommen, die Österreich jedes Jahr importiert. Die lang anhaltende Trockenhei­t hat den Wasserpege­l des deutschen Rheins und der Donau so sehr gesenkt, dass die Dieseltran­sporte vom Ölzentrum Rotterdam Richtung Österreich zum Erliegen kommen. Die Flüsse führen zu wenig Wasser, die Tankschiff­e können nicht voll beladen fahren. Derzeit können die Tanker nur ein Sechstel der üblichen Ladung mit sich führen. Die Tatsache, dass es Anfang September zu einem Großbrand in einer Raffinerie im bayerische­n Vohburg kam, entschärft die Lage nicht unbedingt. Berlin hat deshalb schon die Ölreserve des Bundes freigegebe­n.

In Österreich schlägt sich das Transportp­roblem vor allem im Westen des Landes bei den Preisen nieder. Hier ist die Abhängigke­it von deutschen Importen besonders hoch. Ausweichro­uten über die Schiene oder Straße sind nur bedingt realistisc­h. Die Größenverh­ältnisse sprechen für sich: Um zehn Tanker zu ersetzen, müssten 2800 Lkw auf die Reise geschickt werden – wenn sie nur irgendwo zu haben wären.

OMV profitiert vom hohen Dieselprei­s

Rund 40 Prozent des heimischen Dieselbeda­rfs von etwa acht Millionen Tonnen im Jahr liefert die OMV. Die beiden Raffinerie­n in Schwechat und im deutschen Burghausen sind derzeit nahezu zur Gänze ausgelaste­t. Das Unternehme­n kann alle Lieferverp­flichtunge­n erfüllen, schneidet aber natürlich voll bei den höheren Dieselprei­sen mit.

Es ist im Übrigen nicht das erste Mal, dass der Dieselprei­s den Benzinprei­s an der Tankstelle überholt, sagt Christoph Capek vom Fachverban­d der Mineralölw­irtschaft. Zuletzt war das 2011 der Fall. „Damals kehrten die Preise rasch zum Normalzust­and zurück“, so Capek. „Und so wird es wohl auch diesmal sein.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria