Diesel teurer als Benzin
Die Nachfrage nach dem Kraftstoff ist trotz Dieselgate ungebrochen hoch. In den vergangenen Wochen kam es vermehrt zu Lieferengpässen, der Dieselpreis an der Tankstelle geht durch die Decke. Das Nadelöhr liegt in Deutschland.
Die Nachfrage nach dem Kraftstoff ist hoch, doch es gibt Engpässe.
Dieselfahrer tanken günstiger. Nach diesem nur scheinbar ehernen Gesetz kalkulierten Autokäufer seit Jahrzehnten. In der Debatte um Abgasaffäre und Dieselfahrverbote diente der Preisvorteil an der Zapfsäule immer noch als letzter Strohhalm für Dieselfahrer. Doch seit einigen Tagen ist es damit vorbei – zumindest in Österreich. An etlichen Tankstellen im Land kostet ein Liter Diesel mittlerweile mehr als ein Liter Superbenzin. Wie konnte es so weit kommen?
Am Finanzminister liegt es jedenfalls nicht. Seit Jahrzehnten besteuert der heimische Fiskus Dieselkraftstoffe deutlich geringer als Benzin. Knapp zehn Cent Steuern je Liter sparen sich Endkunden, wenn sie Diesel statt Benzin tanken. Das kostet den Staat zwar etliche Hundert Millionen Euro an möglichen Steuereinnahmen im Jahr, freut aber die Bauern und bringt ein Vielfaches an Steuern aus dem Tanktourismus. Inzwischen reicht das Steuergeschenk aber nicht mehr aus, um die gestiegenen Dieselpreise auf dem Markt auszugleichen. In den ver- gangenen zwölf Monaten kletterte der Dieselpreis an der Rotterdamer Rohstoffbörse um 30 Prozent, während jener für Benzin zuletzt sogar deutlich gesunken ist.
Zu wenig Wasser für Tankschiffe
Das liegt einerseits an der guten wirtschaftlichen Lage in Europa, die die Nachfrage nach Dieselkraftstoffen in die Höhe treibt. Auch der Großteil der Autofahrer in Österreich ist weiterhin mit einem Dieselauto unterwegs. Im Vorjahr stieg der Dieselverbrauch trotz der Abgasaffäre um knapp drei Prozent. Das allein wäre kein Grund zur Sorge. Denn es ist mehr als genug Kraftstoff vorhanden – nur leider am falschen Ort.
Das Nadelöhr heißt Deutschland, wo 70 Prozent der 4,7 Millionen Tonnen Diesel herkommen, die Österreich jedes Jahr importiert. Die lang anhaltende Trockenheit hat den Wasserpegel des deutschen Rheins und der Donau so sehr gesenkt, dass die Dieseltransporte vom Ölzentrum Rotterdam Richtung Österreich zum Erliegen kommen. Die Flüsse führen zu wenig Wasser, die Tankschiffe können nicht voll beladen fahren. Derzeit können die Tanker nur ein Sechstel der üblichen Ladung mit sich führen. Die Tatsache, dass es Anfang September zu einem Großbrand in einer Raffinerie im bayerischen Vohburg kam, entschärft die Lage nicht unbedingt. Berlin hat deshalb schon die Ölreserve des Bundes freigegeben.
In Österreich schlägt sich das Transportproblem vor allem im Westen des Landes bei den Preisen nieder. Hier ist die Abhängigkeit von deutschen Importen besonders hoch. Ausweichrouten über die Schiene oder Straße sind nur bedingt realistisch. Die Größenverhältnisse sprechen für sich: Um zehn Tanker zu ersetzen, müssten 2800 Lkw auf die Reise geschickt werden – wenn sie nur irgendwo zu haben wären.
OMV profitiert vom hohen Dieselpreis
Rund 40 Prozent des heimischen Dieselbedarfs von etwa acht Millionen Tonnen im Jahr liefert die OMV. Die beiden Raffinerien in Schwechat und im deutschen Burghausen sind derzeit nahezu zur Gänze ausgelastet. Das Unternehmen kann alle Lieferverpflichtungen erfüllen, schneidet aber natürlich voll bei den höheren Dieselpreisen mit.
Es ist im Übrigen nicht das erste Mal, dass der Dieselpreis den Benzinpreis an der Tankstelle überholt, sagt Christoph Capek vom Fachverband der Mineralölwirtschaft. Zuletzt war das 2011 der Fall. „Damals kehrten die Preise rasch zum Normalzustand zurück“, so Capek. „Und so wird es wohl auch diesmal sein.“