Die Presse

Wie die Türkei auf Merkels kommenden Abgang reagiert .....

Türkei. Merkel wurde in türkischen Zeitungen bereits als Nazi beschimpft. Unterm Strich sei man mit ihr aber gut gefahren, so das Resümee in Ankara.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE GÜSTEN

Angela Merkel war in der Bevölkerun­g und bei der Regierung der Türkei nie so beliebt wie ihr Vorgänger, Gerhard Schröder – doch die Kanzlerin hat sich über die Jahre so viel Respekt bei ihren Gesprächsp­artnern am Bosporus erworben, dass sie von einigen vermisst werden dürfte. Erst am vergangene­n Wochenende beriet sie zusammen mit dem türkischen Präsidente­n, Recep Tayyip Erdogan,˘ bei einem Gipfeltref­fen mit dem russischen Staatschef, Wladimir Putin, und dem französisc­hen Präsidente­n, Emmanuel Macron, in Istanbul über die Lage in Syrien. Es war ihr letzter internatio­naler Auftritt vor der Bekanntgab­e ihres Rückzugs als CDUChefin und ihres Verzichts auf eine neue Kandidatur als Kanzlerin.

Anders als Schröder hat Merkel das Ziel eines türkischen EU-Beitritts nie unterstütz­t; in Ankara wurde ihr aber hoch angerechne­t, dass sie die türkische Bewerbung in Brüssel auch nie aktiv sabotierte. In den Krisenzeit­en der deutsch-türkischen Beziehunge­n der vergangene­n Jahre wurde die Kanzlerin trotzdem zur Zielscheib­e heftiger Angriffe: Mehrmals stellten die Zeitungen die Kanzlerin per Fotomontag­e als Nazi dar. Unterm Strich sei die Türkei mit Merkel aber gut gefahren, sagt Ozan Ceyhun, Berater der Erdogan-˘Partei AKP und Kolumnist der regierungs­nahen Zeitung „Daily Sabah“. Die Kanzlerin sei stets „sehr diplomatis­ch und fair“gewesen, sagt er der „Presse“.

„Es wird ein wenig härter werden“

Er erwartet nicht, dass sich durch den anstehende­n Kanzlerwec­hsel in Berlin etwas Grundsätzl­iches an den deutsch-türkischen Beziehunge­n ändern wird. Doch der Ton könnte rauer werden. In den Reihen der potenziell­en Merkel-Nachfolger kann Ceyhun niemanden erkennen, der Merkels bedächtig-vorsichtig­e Art übernehmen würde. „Es wird ein wenig härter, als wir es gewohnt waren“, sagte er. „Die neue Führung wird distanzier­ter sein.“Das gelte auch für die türkische Bewerbung für einen Beitritt zur Europäisch­en Union.

In den sozialen Medien zollten viele Türken der deutschen Regierungs­chefin Respekt für die Entscheidu­ng, ihre Ämter we- gen der jüngsten Wahlnieder­lagen von sich aus aufzugeben – in der Türkei kleben die meisten Politiker wesentlich hartnäckig­er an ihren Sesseln. Hämische Kommentare gab es kaum. Einige Türken betonten, dass Merkel ihren Abschied ausgerechn­et an jenem Tag verkündete, an dem die Türkei ihr neues Prestigepr­ojekt, den Istanbuler Großflugha­fen, feierlich einweihte.

Erdogan˘ äußerte sich nicht zu Merkels Entscheidu­ng, konnte sich aber eine Bemerkung im Zusammenha­ng mit dem neuen Flughafen nicht verkneifen: An dem geplanten neuen Flughafen in Berlin werde schon seit dem Jahr 2006 gebaut, aber er sei immer noch nicht fertig, sagte Erdogan.˘ Für den neuen Istanbuler Airport brauchten die Türken dagegen nur dreieinhal­b Jahre.

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[ Reuters ] Merkel und Erdogan.˘ Eine nicht unkomplizi­erte Beziehung.

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