Wie die Türkei auf Merkels kommenden Abgang reagiert .....
Türkei. Merkel wurde in türkischen Zeitungen bereits als Nazi beschimpft. Unterm Strich sei man mit ihr aber gut gefahren, so das Resümee in Ankara.
Angela Merkel war in der Bevölkerung und bei der Regierung der Türkei nie so beliebt wie ihr Vorgänger, Gerhard Schröder – doch die Kanzlerin hat sich über die Jahre so viel Respekt bei ihren Gesprächspartnern am Bosporus erworben, dass sie von einigen vermisst werden dürfte. Erst am vergangenen Wochenende beriet sie zusammen mit dem türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdogan,˘ bei einem Gipfeltreffen mit dem russischen Staatschef, Wladimir Putin, und dem französischen Präsidenten, Emmanuel Macron, in Istanbul über die Lage in Syrien. Es war ihr letzter internationaler Auftritt vor der Bekanntgabe ihres Rückzugs als CDUChefin und ihres Verzichts auf eine neue Kandidatur als Kanzlerin.
Anders als Schröder hat Merkel das Ziel eines türkischen EU-Beitritts nie unterstützt; in Ankara wurde ihr aber hoch angerechnet, dass sie die türkische Bewerbung in Brüssel auch nie aktiv sabotierte. In den Krisenzeiten der deutsch-türkischen Beziehungen der vergangenen Jahre wurde die Kanzlerin trotzdem zur Zielscheibe heftiger Angriffe: Mehrmals stellten die Zeitungen die Kanzlerin per Fotomontage als Nazi dar. Unterm Strich sei die Türkei mit Merkel aber gut gefahren, sagt Ozan Ceyhun, Berater der Erdogan-˘Partei AKP und Kolumnist der regierungsnahen Zeitung „Daily Sabah“. Die Kanzlerin sei stets „sehr diplomatisch und fair“gewesen, sagt er der „Presse“.
„Es wird ein wenig härter werden“
Er erwartet nicht, dass sich durch den anstehenden Kanzlerwechsel in Berlin etwas Grundsätzliches an den deutsch-türkischen Beziehungen ändern wird. Doch der Ton könnte rauer werden. In den Reihen der potenziellen Merkel-Nachfolger kann Ceyhun niemanden erkennen, der Merkels bedächtig-vorsichtige Art übernehmen würde. „Es wird ein wenig härter, als wir es gewohnt waren“, sagte er. „Die neue Führung wird distanzierter sein.“Das gelte auch für die türkische Bewerbung für einen Beitritt zur Europäischen Union.
In den sozialen Medien zollten viele Türken der deutschen Regierungschefin Respekt für die Entscheidung, ihre Ämter we- gen der jüngsten Wahlniederlagen von sich aus aufzugeben – in der Türkei kleben die meisten Politiker wesentlich hartnäckiger an ihren Sesseln. Hämische Kommentare gab es kaum. Einige Türken betonten, dass Merkel ihren Abschied ausgerechnet an jenem Tag verkündete, an dem die Türkei ihr neues Prestigeprojekt, den Istanbuler Großflughafen, feierlich einweihte.
Erdogan˘ äußerte sich nicht zu Merkels Entscheidung, konnte sich aber eine Bemerkung im Zusammenhang mit dem neuen Flughafen nicht verkneifen: An dem geplanten neuen Flughafen in Berlin werde schon seit dem Jahr 2006 gebaut, aber er sei immer noch nicht fertig, sagte Erdogan.˘ Für den neuen Istanbuler Airport brauchten die Türken dagegen nur dreieinhalb Jahre.