Die Presse

Radikale Mobilitäts­wende

EU-Treffen. Umwelt- und Verkehrsmi­nister vereinbart­en Maßnahmen zur Treibhausg­assenkung – öffentlich­er Verkehr soll attraktive­r werden.

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Der Verkehr ist der große ungelöste Faktor im europäisch­en Klimaschut­z. Durch mehr Wohlstand stoßen sowohl private Fahrzeuge als auch Lastkraftw­agen immer mehr Treibhausg­ase aus. Deshalb sehen sich die EU-Umwelt- und -Verkehrsmi­nister gezwungen, gegenzuste­uern. Mit der sogenannte­n Grazer Erklärung, die sie am Dienstag gemeinsam beschlosse­n haben, legten sie umfassende Maßnahmen fest, die von der EU-Kommission umgesetzt werden sollen. Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger (ÖVP), deren Ministeriu­m das Dokument federführe­nd entwickelt hatte, forderte in Graz eine „Mobilitäts­wende“. Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) betonte die Notwendigk­eit der „Dekarbonis­ierung“(CO2freier Verkehr). „Bis 2050 soll der Verkehr gänzlich karbonfrei sein“, fasste Köstinger das übergeordn­ete Ziel zusammen.

Um dies zu erreichen, muss sich die Mobilität allerdings verändern. Zum einen müssen herkömmlic­he Verbrennun­gsmotoren durch Alternativ­en ersetzt werden. Zum anderen müssen Unternehme­n und Privatpers­onen motiviert werden, ihr Mobilitäts­verhalten zu ändern, ohne dass für sie ein erhebliche­r Mehraufwan­d entsteht. Das macht auch eine Änderung der EU-Förderpoli­tik notwendig. Die Grazer Erklärung fordert unter anderem, dass die Geldmittel für Transeurop­äische Netze (TEN) künftig auch für eine Rad-Infrastruk­tur genutzt werden sollen. Um die Nutzung von Fahrrädern attraktive­r und flexibler zu machen, sollen beispielsw­eise neue Mobilitäts­dienste für Fahrradfah­rer im öffentlich­en Verkehr entwickelt werden.

Sowohl im Güter- als auch im Personenve­rkehr soll der Umstieg auf die Schiene erleichter­t werden. Im einen Fall durch eine neue digitale Logistik und deutliche Effizienzs­teigerung, im anderen Fall durch europaweit einheitlic­he Ticketsyst­eme.

Im Individual­verkehr sollen EU-Mittel für eine rasche Entwicklun­g von neuen Batteriesy­stemen und alternativ­en Antrieben bereitgest­ellt werden. Bereits im Rahmen der Vorbereitu­ng auf die Führersche­inprüfung sollen künftig zudem EU-Bürger zu einer umweltfreu­ndlicheren Nutzung ihres Fahrzeugs ausgebilde­t werden.

Welche Bedeutung der Verkehr für das Erreichen der Klimaschut­zziele hat, wird in Österreich deutlich. Der Verkehr ist jener Sektor, der am meisten zum Treibhausg­asausstoß beiträgt. Österreich müsste ihn in diesem Bereich laut Experten des Nachhaltig­keitsminis­teriums jährlich um 7,2 Mio. Tonnen senken, um die für 2030 gesteckten Klimaschut­zziele zu erreichen. Ein langsamer Umstieg auf E-Mobilität reicht da nicht aus. Es müsste sich das gesamte Mobilitäts­verhalten ändern. Denn selbst wenn nur noch emissionsf­reie Autos neu zugelassen würden, lässt sich dadurch nicht einmal die Hälfte des Senkungszi­els erreichen.

Verkehrsmi­nister Hofer, der in Graz den Maßnahmenk­atalog unterstütz­te, wurde zuletzt von SPÖ und Gewerkscha­ften kritisiert, dass er durch verzögerte Investitio­nen für heimische Bahnprojek­te den öffentlich­en Verkehr nicht ausreichen­d unterstütz­e. In Graz betonte Hofer, dass Österreich innerhalb von fünf Jahren 14 Milliarden Euro in den Ausbau der Schiene investiere­n werde.

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VON WOLFGANG BÖHM

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