Früherer Pfleger gesteht Morde an 100 Patienten
Niels H. spritzte tödliche Medikamente, um seine Opfer reanimieren zu können.
Mit einer blauen Mappe bedeckt der frühere Krankenpfleger sein Gesicht, als er in den Verhandlungssaal geführt wird. Mit einem knappen Ja antwortete Niels H. auf die Frage des Gerichts, ob die gegen ihn erhobenen Vorwürfe des hundertfachen Mordes zuträfen. Der 41-Jährige gab zum Prozessauftakt am gestrigen Dienstag vor dem Landgericht Oldenburg (Niedersachsen) zu, in den Jahren 2000 bis 2005 an den Kliniken in Delmenhorst und in Oldenburg 100 Patienten im Alter von 34 bis 96 Jahren tödliche Medikamente gespritzt zu haben.
Es handelt sich um den größten Mordprozess der deutschen Nachkriegszeit. In den vergangenen Jahren wurden mehr als 500 Patientenakten ausgewertet und 134 Leichen auf 67 Friedhöfen exhumiert. 30 Zeugen sollen einvernommen werden, elf Gutachten wurden in Auftrag gegeben, 120 Nebenkläger sitzen in der Weser-Ems-Halle, die das Landgericht aufgrund des riesigen Interesses anmieten musste. Voraussichtlich wird der Prozess bis Mitte 2019 dauern.
Wollte sich als Retter inszenieren
Der Krankenpfleger Niels H. hatte Patienten immer wieder absichtlich Medikamente gespritzt, um lebensbedrohliche Herzprobleme auszulösen. Anschließend reanimierte er seine Opfer, um sich als Retter zu inszenieren. In vielen Fällen misslang die Wiederbelebung. Er habe aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch gehandelt, sagte Oberstaatsanwältin Daniela Schiereck-Bohlmann in der Anklageverlesung. Wegen sechs Taten sitzt er bereits lebenslang in Haft.
Lange fiel trotz auffällig hoher Sterberaten in den Kliniken Delmenhorst und Oldenburg kein Verdacht auf den Pfleger. Im Juni 2005 ertappte ihn eine Krankenschwester auf frischer Tat, Niels H. wurde aber erst zwei Tage später suspendiert – und arbeitete noch zwei weitere Jahre als Altenpfleger. (zoe)