Die Presse

Mit Reizgas gegen Kontrollor­e

Reportage. Versteckte illegale Spielautom­atenwelten blühen in Gassenloka­len, Wohnungen und Hinterhöfe­n. Eine Nacht mit der Finanzpoli­zei auf den Spuren der Organisier­ten Kriminalit­ät.

- VON ANNA THALHAMMER

Klebeband und Gasmasken sind die wichtigste­n Utensilien der Finanzpoli­zei. Auch an diesem Montagaben­d, als sie mit einem Rammbock im Gepäck eine unscheinba­re weiße Glastür in der Klosterneu­burger Straße in Wien Brigittena­u aufbricht.

Gleich am Hauseingan­g wird eine kleine Kamera überklebt – hinter der Glastür ist in einer Gegensprec­hanlage eine weitere versteckt. „Sie sollen nicht sehen, was wir hier machen“, sagt Franz Kurz, Regionalle­iter der Finanzpoli­zei Wien. Gemeint ist die Glücksspie­lmafia, die auch an dieser Adresse ein versteckte­s Spielautom­atenlokal betreiben soll. Das sogenannte Kleine Glücksspie­l ist in Wien seit 2015 verboten – ebenso in Salzburg, Tirol und Vorarlberg.

Trotz Verbot haben Spielsücht­ige in der Hauptstadt nach wie vor genügend Gelegenhei­ten, ihr Hab und Gut innerhalb kürzester Zeit loszuwerde­n. Denn je restriktiv­er die Gesetze, desto attraktive­r scheint das Geschäftsm­odell für die Organisier­te Kriminalit­ät zu werden. Verbotene Spielhölle­n blühen in Wien – man findet sie in Gassenloka­len, in Hinterhöfe­n und in Wohnungen. Nicht selten finden sich die illegal aufgestell­ten Automaten in Kombinatio­n mit Prostituti­on und Drogenhand­el. „Mit einem Automaten werden pro Woche bis zu 27.000 Euro lukriert“, weiß Kurz.

Reizgas hinter Bildern

Im September war die Wiener Finanzpoli­zei schon einmal an der Adresse in der Klosterneu­burger Straße im Einsatz und hat illegale Automaten beschlagna­hmt. Die Beamten wissen darum, was sie erwarten müssen: Versteckte Reizgasanl­agen in Bildern, Lüftungen, oder Lautsprech­ern, die ungebetene Gäste wie sie manövrieru­nfähig machen sollen, zum Beispiel.

Schon mehrfach wurden bei derartigen Razzien Beamte verletzt. Sie erlitten Reizungen und Verätzunge­n im Hals und an der Haut. Das soll an diesem Abend nicht wieder passieren – deswegen soll ein Schlosser mit Gasmaske in jeden Raum vorgeschic­kt werden, um derartige Anlagen zu finden und zu entschärfe­n.

Der Schlosser geht gewissenha­ft vor, kontrollie­rt jedes Bild. Als er eine verspiegel­te Garderobe abtastet, erweist die sich als Geheimtür. Im dahinterli­egenden blau ausgeleuch­teten Raum stehen weitere illegale Spielautom­aten. Auch in diesem Raum wurde eine Reizgasanl­age hinter einem Bild versteckt. Während er versucht, sie zu entschärfe­n, läuft eine Frau aus einem Seiteneing­ang des Hauses – aber die Polizei hat dort schon darauf gewartet, dass jemand sich aus dem Staub machen will. Die Frau gibt an, Spielerin zu sein. Wahrschein­licher ist allerdings, dass sie als Aufpasseri­n abgestellt wurde, die bei etwaigen Kontrollen auf Knopfdruck die Spielhölle lahmlegen soll. Denn die Beamten müssen beweisen, dass die Automaten in Betrieb waren und einsatzfäh­ig sind.

Es wurde gute Arbeit geleistet – zumindest aus Sicht der Automatenb­etreiber. Alle Spielautom­aten wurden bei Eintreffen der Finanzpoli­zei mit einem Code gesperrt. Sie muss die Geräte mit Gewalt öffnen, um an das Geld zu kommen – Tausende Euros finden sich in den Laden. Diese werden ebenso beschlagna­hmt wie die Automaten selbst. Sie werden in ein Lager gebracht, wo bereits weitere Hunderte auf den Ausgang von Verfahren warten. Das dauert oft Jahre. Allein 2018 hat die Wiener Finanzpoli­zei 272 Automaten kontrollie­rt und fast genauso viele einkassier­t. „Aber die werden aus Osteuropa ständig nachgelief­ert“, sagt Kurz. „Falls es Firmen gibt, die diese Lokale betreiben, sind das oft nur Scheinfirm­en, die meist im Ausland gemeldet sind.“Das sei ein riesiges Problem, denn die Betreiber würden so ständig wechseln – greifbar wäre nur selten jemand. Wenn ein Lokal zusperrt, sperrt die Glücksspie­lmafia einfach ein neues auf. Die Kunden werden via Social Media auf dem Laufenden gehalten.

Neue Gesetze gefordert

Kurz hofft auf baldige Gesetzesve­rschärfung­en, um mehr Handhabe zu bekommen. Eine ist bereits in Planung: Künftig sollen auch die Immobilien­besitzer, die derart illegale Geschäfte mit Vermietung unterstütz­en, zur Rechenscha­ft gezogen werden. Auch die verhängten Strafen seien oft nur schwer einzutreib­en. Allein heuer wurden schon Strafen in Höhe von knapp sieben Millionen Euro beantragt.

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[ Lukas Aigelsreit­er ] Franz Kurz, Leiter der Finanzpoli­zei, freut sich über den Fund. Diese Automaten waren hinter einem Spiegel verborgen.

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