Wem gehört eigentlich Privatvermögen?
In Europa macht sich ein recht eigenwilliger Eigentumsbegriff breit.
R elativ klein war in der Vorwoche die Aufregung, als ein prominenter deutscher Bundesbanker zwecks Halbierung der italienischen Staatsschuld eine Zwangsanleihe forderte, die von allen Italienern mit einem Nettovermögen von mehr als 50.000 Euro (also beispielsweise allen, die über eine abbezahlte Eigentumswohnung verfügen) getragen werden müsste.
Dabei ist die Idee, wie wir wissen, gar nicht so weit hergeholt. Vom IWF bis zu Boston Consulting hat es in den vergangenen Jahren Vorschläge gehagelt, die Staaten auf Kosten der Vermögen ihrer Bürger zu sanieren.
Die Frage ist nur, wieso das die Menschen nicht mehr aufregt. Immerhin zeigt der Vorstoß von voriger Woche, dass sich ein recht eigenartiger, bisher eher in linken Zirkeln verbreiteter Eigentumsbegriff bis in die innersten Kreise der eher als neoliberal verschrienen deutschen Notenbank vorgefressen hat: Eigentum wird da nicht als volle Verfügungsgewalt über legal erworbene Güter und Finanzmittel durch den Eigentümer verstanden, sondern als eine Art Lehen des Staates, auf das dieser bei Bedarf jederzeit zugreifen kann.
Diese Denke entspricht offenbar durchaus dem Ökonomenmainstream. Wie sonst käme man auf die Idee, den Staatsschuldenstand nicht an den Staatseinnahmen, sondern am Bruttoinlandsprodukt, also an der gesamten Wirtschaftsleistung eines Landes, zu messen? Schließlich entscheidet über die Schuldentragfähigkeit ja ausschließlich die Höhe der zur Verfügung stehenden Einnahmen.
Außer natürlich, man geht davon aus, dass der Staat im Bedarfsfall selbstverständlich auch auf das Ergebnis der gesamten Wirtschaftstätigkeit aller Privatleute zurückgreifen kann. Zahlenbehübschung allein – gemessen an den Einnahmen beträgt die österreichische Staatsschuldenquote 159 Prozent, die italienische 289 – wird es ja wohl nicht sein. W ir haben es hier offenbar europaweit mit einer besorgniserregenden Erosion des Eigentumsbegriffs zu tun. Eine, die – siehe Italien-Vorschlag der Bundesbank – nicht nur Superreiche, sondern alle, die es auch nur zu ein wenig Privatvermögen gebracht haben, bedroht. Da sollten wir wachsam sein. Die Demokratie bietet durchaus Mittel, solchen Enteignungsfantasien gegenzusteuern.