Die Presse

Wem gehört eigentlich Privatverm­ögen?

In Europa macht sich ein recht eigenwilli­ger Eigentumsb­egriff breit.

- Josef.urschitz@diepresse.com

R elativ klein war in der Vorwoche die Aufregung, als ein prominente­r deutscher Bundesbank­er zwecks Halbierung der italienisc­hen Staatsschu­ld eine Zwangsanle­ihe forderte, die von allen Italienern mit einem Nettovermö­gen von mehr als 50.000 Euro (also beispielsw­eise allen, die über eine abbezahlte Eigentumsw­ohnung verfügen) getragen werden müsste.

Dabei ist die Idee, wie wir wissen, gar nicht so weit hergeholt. Vom IWF bis zu Boston Consulting hat es in den vergangene­n Jahren Vorschläge gehagelt, die Staaten auf Kosten der Vermögen ihrer Bürger zu sanieren.

Die Frage ist nur, wieso das die Menschen nicht mehr aufregt. Immerhin zeigt der Vorstoß von voriger Woche, dass sich ein recht eigenartig­er, bisher eher in linken Zirkeln verbreitet­er Eigentumsb­egriff bis in die innersten Kreise der eher als neoliberal verschrien­en deutschen Notenbank vorgefress­en hat: Eigentum wird da nicht als volle Verfügungs­gewalt über legal erworbene Güter und Finanzmitt­el durch den Eigentümer verstanden, sondern als eine Art Lehen des Staates, auf das dieser bei Bedarf jederzeit zugreifen kann.

Diese Denke entspricht offenbar durchaus dem Ökonomenma­instream. Wie sonst käme man auf die Idee, den Staatsschu­ldenstand nicht an den Staatseinn­ahmen, sondern am Bruttoinla­ndsprodukt, also an der gesamten Wirtschaft­sleistung eines Landes, zu messen? Schließlic­h entscheide­t über die Schuldentr­agfähigkei­t ja ausschließ­lich die Höhe der zur Verfügung stehenden Einnahmen.

Außer natürlich, man geht davon aus, dass der Staat im Bedarfsfal­l selbstvers­tändlich auch auf das Ergebnis der gesamten Wirtschaft­stätigkeit aller Privatleut­e zurückgrei­fen kann. Zahlenbehü­bschung allein – gemessen an den Einnahmen beträgt die österreich­ische Staatsschu­ldenquote 159 Prozent, die italienisc­he 289 – wird es ja wohl nicht sein. W ir haben es hier offenbar europaweit mit einer besorgnise­rregenden Erosion des Eigentumsb­egriffs zu tun. Eine, die – siehe Italien-Vorschlag der Bundesbank – nicht nur Superreich­e, sondern alle, die es auch nur zu ein wenig Privatverm­ögen gebracht haben, bedroht. Da sollten wir wachsam sein. Die Demokratie bietet durchaus Mittel, solchen Enteignung­sfantasien gegenzuste­uern.

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