Die Presse

Trump will Ende von Geburtsrec­ht

USA. Unmittelba­r vor den Kongresswa­hlen schickt der Präsident 5200 Soldaten an die Grenze zu Mexiko und kündigt ein Ende des Rechts auf Staatsbürg­erschaft bei Geburt in den USA an.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Einen Grundpfeil­er des Staatsbürg­erschaftsr­echts hat USPräsiden­t Donald Trump nun infrage gestellt: Per Dekret wolle er verfügen, dass künftig nicht mehr jedes auf dem Boden der USA geborene Kind automatisc­h die Staatsbürg­erschaft erhält, sagte er in einem Interview mit dem Nachrichte­nportal Axios. Für Kinder von Ausländern, die sich unrechtmäß­ig in den USA aufhielten, solle dieses Geburtsrec­ht nicht mehr gelten, kündigte der Präsident an. „Wir sind das einzige Land der Erde, in dem ein Baby gleich zum Staatsbürg­er der USA wird, wenn eine Frau hierherkom­mt und ein Baby bekommt – mit allen Vorteilen“, sagte Trump. „Das ist lächerlich. Das muss aufhören.“Rechtsexpe­rten zweifeln allerdings: Das Recht auf Staatsbürg­erschaft für alle auf US-Boden geborenen Menschen ist in einem Verfassung­szusatz festgeschr­ieben.

Wenige Tage vor den Kongresswa­hlen konzentrie­rt sich Donald Trump voll auf das Thema Migration. Dabei nimmt er nun auch eine Bestimmung ins Visier, die allen auf US-Boden geborenen Kindern automatisc­h die Staatsbürg­erschaft verleiht. Das sei „irrwitzig“und müsse umgehend geändert werden, sagte der Präsident. Er vertraut darauf, die Regelung im Alleingang per Verfügung abändern zu können.

Im Gegensatz zu Österreich und dem Rest Europas erhält in den USA jedes Baby per Geburt die Staatsbürg­erschaft, selbst wenn seine Eltern illegale Einwandere­r sind. Als Folge versuchen viele werdende Mütter aus ärmeren Ländern, ihre Kinder in den USA auf die Welt zu bringen – in der Hoffnung, ihnen so eine bessere Zukunft zu ermögliche­n. Knapp 300.000 Kinder werden laut der Denkfabrik Pew Research Center jedes Jahr von illegal ins Land gereisten Frauen geboren. Das entspricht in etwa sieben Prozent der gesamten Geburten in den USA.

Staatschef auf Stimmenfan­g

Das Thema beschäftig­t die US-Politik seit Jahren, Konservati­ve fordern immer wieder eine Änderung der Regelung. Trump wählte den Zeitpunkt für seinen Vorstoß wohl nicht zufällig aus. Seit Wochen versucht er die politische Debatte auf das Thema Immigratio­n zu lenken. Nächste Woche stehen in den USA Kongresswa­hlen an. Dabei geht es für Trumps Republikan­er um die Mehrheiten im Abgeordnet­enhaus und im Senat. Das Resultat wird die Politik bis zum Ende von Trumps erster Amtszeit in zwei Jahren entscheide­nd beeinfluss­en.

Mit der Fokussieru­ng auf Einwanderu­ng versucht Trump, seine Basis zu mobilisier­en und Stimmen für seine Republikan­er an Land zu ziehen. In vielen Staaten im Süden der USA stehen wichtige Senatoren- und Abgeordnet­enposten zur Wahl. Nevada beispielsw­eise ist einer der am heftigsten umkämpften Bundesstaa­ten und je- ner mit dem höchsten Anteil an Kindern, die von illegal ins Land gereisten Müttern geboren werden: Im „Silver State“trifft das auf jedes sechste Baby zu.

Es ist unklar, ob der Präsident das im Verfassung­srang geregelte Gesetz im Alleingang abändern kann. Liberale Juristen argumentie­ren, dass das festgesetz­te Recht auf Staatsbürg­erschaft für alle gilt.

Konservati­ve Advokaten berufen sich darauf, dass sich der entspreche­nde Zusatzarti­kel in der Verfassung bloß auf legal ins Land gereiste Ausländer bezieht. Ein langwierig­er Rechtsstre­it wäre garantiert, wenn Trump die Verordnung erlässt. Um die Verfassung zu ändern, wäre wiederum eine Zweidritte­lmehrheit in beiden Kongresska­mmern nötig – ein aussichtsl­oses Unterfange­n für Trump.

Der Vorstoß kommt unmittelba­r, nachdem der Präsident 5200 Soldaten an die Grenze zu Mexiko beordert hat. Das Weiße Haus hat den nationalen Notstand ausgerufen und ortet einen „Angriff auf die USA“in Form einer Karawane von Migranten, die sich derzeit durch Mexiko schlägt. Der Flüchtling­stross nahm seinen Ursprung in Honduras, umfasst mehrere Tausend Menschen und befindet sich mehr als 1000 Kilometer von der texanische­n Grenze entfernt. Trump hat die mexikanisc­hen Behörden bislang erfolglos aufgeforde­rt, die Flüchtling­e aufzuhalte­n.

Aus polittakti­scher Sicht ergibt Trumps Fokus durchaus Sinn. Umfragen zufolge spielt die Debatte um Migration eher den Republikan­ern in die Karten, während etwa die zuletzt gesehene Gewalt in den USA den Demokraten hilft. Die Liberalen berufen sich darauf, dass der Präsident mit seiner Rhetorik die Spaltung in der Gesellscha­ft anheize und so Attentäter wie den jüngst verhaftete­n Paketbombe­r Cesar Sayoc auf den Plan rufe.

Gespaltene Gesellscha­ft

Trump selbst plante am Dienstag, nach Pittsburgh in Pennsylvan­ia zu reisen, um der elf Opfer eines antisemiti­schen Amokschütz­en in einer Synagoge zu gedenken. Auch der Streit darüber unterstrei­cht die Polarisier­ung. Trump solle sich den Besuch sparen, ließen der demokratis­che Bürgermeis­ter von Pittsburgh, Bill Peduto, und ein Teil der jüdischen Gemeinscha­ft ausrichten. Der Rabbiner der Synagoge wiederum betonte, der Präsident sei „immer willkommen“.

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[ AFP ] Migranten überqueren den Fluss Suchiate zwischen Guatemala und Mexiko. Trump will sie daran hindern, die USA zu erreichen.

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