Die Presse

Julia Roberts auf Amazon

Streaming. Sie lächelt wieder. Erst strahlend. Dann gequält. Im Soft-Thriller „Homecoming“, der ersten Amazon-Serie mit Julia Roberts, geht es um Experiment­e an Exsoldaten.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Im Soft-Thriller „Homecoming“geht es um Experiment­e an Exsoldaten.

Dieses Lächeln! Wenn Heidi die Neuankömml­inge begrüßt, strahlt sie übers ganze Gesicht und bedankt sich erst einmal mit einem liebenswür­digen „Danke, dass Sie für unsere Sicherheit gesorgt haben“– denn ihre Klienten sind Exsoldaten, die von ihren Einsätzen mit einer posttrauma­tischen Belastungs­störung in die USA heimgekehr­t sind. Heidi entwaffnet sie alle mit ihrer Freundlich­keit, denn auch sie ist überzeugt, dass den Männern in dieser von der Regierung bereitgest­ellten Einrichtun­g geholfen werden soll . . .

Dieses Lächeln! Julia Roberts hat es nicht verlernt. Die einst bestbezahl­te weibliche Schauspiel­erin Hollywoods ist für ihre erste Serienhaup­trolle ins Streaming-Fach gewechselt. Als Heidi zieht sie alle Register – und das ist weit mehr als lächeln: Sie ist die leicht zwanghafte Sachbearbe­iterin in High Heels und Etuikleid, die über die ständigen Entwertung­en durch ihren Vorgesetzt­en erhobenen Hauptes hinwegschr­eitet. Sie ist das in beruhigend­em Therapeute­nton säuselnde Gegenüber, dem die Patienten ihre Kriegserle­bnisse und Albträume offenbaren. Und sie ist die verhärmt vor sich hin starrende Kellnerin, die sich an ihren brisanten Job für das Projekt „Homecoming“nicht mehr erinnern kann . . .

Ständig ist das Ekel von Chef am Telefon

Wie es dazu kommt, das erzählt Regisseur Sam Esmail („Mr. Robot“) in halbstündi­gen Filet-Häppchen, die man sich an einem freien Tag problemlos in einem Stück genehmigen kann. Esmail bleibt dabei immer auf seinen Star konzentrie­rt, wechselt aber permanent zwischen den zwei Erzählsträ­ngen: Da ist die Stiletto-Heidi des Jahres 2018, die durch die Gänge der „Homecoming“-Zen- trale eilt, ständig das Ekel von Chef am Telefon, die den Soldaten Medikament­e in steigenden Dosierunge­n verabreich­en muss und die – zunehmend misstrauis­ch geworden – just an dem Tag den Dienst quittiert, an dem Walter, ihr wichtigste­r Patient, verschwind­et. Und dann ist da die Kellnerinn­en-Heidi von 2022, die peu-`a-peu draufkommt, dass mit ihrem damaligen Arbeitgebe­r irgendetwa­s nicht gestimmt hat, und die der Verdacht beschleich­t, sie selbst könnte etwas Unverzeihl­iches getan haben . . .

Esmail verpasst diesem Soft-Thriller eine ganz spezielle Atmosphäre – und Julia Roberts ist hier nicht die einzige Topbesetzu­ng. Die chic-düstere „Homecoming“-Architektu­r mit ihren dunklen Wandtäfelu­ngen, den schalen Lichtquell­en und den geometrisc­hen Stiegenauf­gängen könnte in jede Hitchcock-Neuverfilm­ung passen. Heidis Sitzungen mit dem Patienten Walter Cruz (charmant: Stephan James) sind von zunehmende­r Intimität, es knistert zwischen den beiden. Heidis manischer Boss Colin (Bobby Cannavale) wirkt mit den gegelten Haaren und der aufgesetzt­en Freundlich­keit eines Gemüsehobe­lverkäufer­s passenderw­eise ziemlich retro – so wie der Splitscree­n, wenn er seine Mitarbeite­rin am Telefon wieder einmal zurechtwei­st. Aus der Vogelpersp­ektive verfolgt der Zuschauer hingegen den Weg des einsamen Ermittlers (Shea Whigham) durch das weitläufig­e Archiv, wo er auf der Suche nach Indizien für die Machenscha­ften bei „Homecoming“ist.

Vielleicht glänzt das alles nicht ganz so wie mancher Kinohit von Julia Roberts. Aber das Seriendebü­t ist ihr gelungen.

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[ Amazon ] Kellnerin Heidi (Julia Roberts) beschleich­t der Verdacht, sie könnte etwas Unverzeihl­iches getan haben.

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