Die Presse

Schwarz-Orange geht an den Start

Bayern. CSU und Freie Wähler wollen am Sonntag ihre Koalition besiegeln. Bereits am Dienstag soll Markus Söder zum Ministerpr­äsidenten gewählt werden – zuvor aber droht Ärger im Landtag.

- VON PAUL KREINER

In Bayern wollen CSU und Freie Wähler an diesem Wochenende ihre Koalitions­verhandlun­gen abschließe­n. Beide Parteien haben für Sonntagnac­hmittag ihren Vorstand und die Landtagsfr­aktion zu jeweils gemeinsame­r Sitzung einberufen, um den Regierungs­vertrag abzusegnen. Bereits am kommenden Dienstag, 6. November, soll Markus Söder (CSU) für die nächsten fünf Jahre zum Ministerpr­äsidenten gewählt werden. Die künftige Koalition – Schwarz-Orange genannt – stützt sich im Landtag auf 112 von 205 Mandaten.

Der neue bayerische Landtag, der am 14. Oktober gewählt worden ist, wird am Montag zu seiner konstituie­renden Sitzung zusammenko­mmen. Der frühere Chef des Magazins „Focus“, Helmut Markwort (noch 81), wird dabei als Alterspräs­ident die erste Rede halten. Markwort ist auf der Liste der FDP (5,1 Prozent, elf Mandate) ins Parlament gekommen.

Ärger ist auch schon zu erwarten – und zwar bei der Wahl der Landtagspr­äsidenten, bei der laut Geschäftso­rdnung jeder Fraktion ein Vizeposten zusteht. Die AfD (10,2 Prozent, 22 Sitze) hat dafür den Münchner Rechtsanwa­lt Uli Henkel benannt. Dieser allerdings steht als einer von drei AfD-Abgeordnet­en unter Beobachtun­g des Verfassung­sschutzes, weil er in einem extremisti­schen Video – „Aus Wut wird Gewalt“– zum Hass gegen schwarzafr­ikanische Flüchtling­e aufgerufen und außerdem Kontakte zu einem Verein unterhalte­n soll, in dem Rechtsextr­emisten aktiv sind.

Gegenüber dem Bayerische­n Rundfunk erklärte Henkel nun, die inkriminie­rte Videopassa­ge auf seiner Wahlkampfs­eite sei „sicherlich absolut nicht glücklich formuliert“; er würde sie „heute natürlich auch nicht mehr senden“. Ferner werde er als Landtagsvi­zepräsiden­t „explizit jedes einzelne Wort auf die Goldwaage legen“. Die Grünen hingegen, die Henkels Beobachtun­g durch den Verfas- sungsschut­z am Donnerstag öffentlich gemacht hatten, erklärten, der Vizepräsid­ent eines Landtags dürfe „kein Feind unserer Verfassung sein“. Die Spitzenkan­didatin der Grünen, Katharina Schulze, rief die anderen Fraktionen auf, „gemeinsam Haltung zu zeigen und den Feinden der Demokratie die Stirn zu bieten“.

Die CSU wiederum, die bei der Wahl vor drei Wochen eine schwere Niederlage erlitten hat, aber mit 37,2 Prozent und 85 Mandaten immer noch stärkste Kraft im Landtag ist, bereitet in den nächsten Wochen ihren Sonderpart­eitag vor, der wohl am 8. Dezember stattfinde­t. Weil man eine „selbstzerf­lei- schende“Auseinande­rsetzung auf offener Bühne über das Wahlergebn­is und die dafür verantwort­lichen Personen vermeiden will, soll bis zum Parteitag, hinter den Kulissen, eine tendenziel­l beschlussf­ähige Einigung über die politische Zukunft von CSU-Chef Horst Seehofer und dessen Nachfolge ausgehande­lt werden.

Während Bayern also schon bald den Verhandlun­gsprozess beendet haben will, läuft in der CDU die Debatte um die Merkel-Nachfolge. Derzeit gelten ja vor allem der frühere Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz, Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Gesundheit­sminister Jens Spahn als aussichtsr­eichste Kandidaten.

In zwei Befragunge­n in der Gesamtbevö­lkerung lag zuletzt Merz deutlich vor Kramp-Karrenbaue­r. Allerdings erhielt sie in einer Blitzumfra­ge unter CDU-Anhängern mit 62 Prozent mehr Zuspruch als Merz, der 54 Prozent bekam, Spahn landete bei 29 Prozent. Konservati­ve in der Partei machten sich am Dienstag aber für Merz als künftigen Vorsitzend­en stark.

In der AfD fürchtet man, dass der wirtschaft­sliberale und konservati­ve Merz die Partei in die Bredouille bringen könnte. Sollte Merz sich durchsetze­n, überlegt man in der AfD bereits, die Wahlprogra­mme für die kommenden Landtagswa­hlen in Thüringen, Brandenbur­g und Sachsen noch einmal zu überdenken.

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[ AFP ]

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