Teures Fahrrad, aber gratis Tesla
Steuern. Eine Änderung im Steuerrecht hat skurrile Folgen: Während elektrische Dienstautos für Arbeitnehmer weiter steuerfrei bleiben, müssen sie für Dienstfahrräder oder E-Bikes bald zahlen.
Der gute Wille ist da. Der Gesetzgeber will auch im Verkehrssektor etwas gegen den Klimawandel tun und fördert daher Elektroautos so gut es eben geht. Ein Beispiel: Stellen Unternehmen ihren Mitarbeitern Dienstwagen zur Verfügung, müssen diese gemäß Sachwertebezugsverordnung Steuern dafür bezahlen. Als Sachbezug gelten vereinfacht gesagt alle Zuwendungen, die man nicht in Cash vom Arbeitgeber bekommt. Ebenfalls ausgenommen von der Steuerpflicht sind seit Beginn 2016 alle PKW, die zur Gänze mit Strom betrieben werden. Ganz egal, ob die E-Autos überwiegend privat benutzt werden oder nicht. Ein Tesla Model S, zu haben ab 87.800 Euro, wäre für den Mitarbeiter daher mit null Euro zu verbuchen. Auf die mögliche Besteuerung des Sachbezugs verzichtet der Fiskus – der Umwelt zuliebe.
Doch im jüngsten Wartungserlass für die Lohnsteuerrichtlinien rüttelt das Finanzministerium entweder an diesem Credo – oder es ist ihm ein folgenschwerer Lapsus unterlaufen. So sollen Elektroautos für Dienstnehmer zwar steuerfrei bleiben, dafür fallen erstmals Steuern für die Mitarbeiter an, wenn sie „Mofas, Mopeds oder Fahrräder mit Hilfsmotor usw.“von ihren Unternehmen bekommen. Ausschlaggebend soll in diesem Fall nicht die Sachwertebezugsverordnung sein, die immerhin klare Regeln für die Steuerhöhe vorgibt, sondern Paragraf 15 im Einkom- mensteuergesetz. Dort steht zur Frage der Steuerhöhe lediglich, dass „geldwerte Vorteile mit den um übliche Preisnachlässe verminderten üblichen Endpreis ab Abgabeort“anzusetzen sind. Das Elektrodienstfahrrad um 3000 Euro käme den Arbeitnehmer also empfindlich teurer als der 90.000 Euro Tesla. Ob auch für Diensträder, die rein mit Muskelkraft betrieben werden, fortan Steuern bezahlt werden müssen, geht aus den Richtlinien nicht klar hervor. Allein die Tatsache, dass diese Vari- ante denkmöglich realistisch erscheint, macht aber deutlich, wie dringend hier Nachbesserungen notwendig sind.
Die neue Regelung ist nicht nur aus umweltpolitischer Sicht vollkommen widersinnig, sie ist auch praktisch schwer umsetzbar und sorgt für Unsicherheit bei den Unternehmen. Steuerpflichtig werden Arbeitnehmer bekanntlich nur dann, wenn sie die ihnen überlassenen Fahrzeuge auch privat nut- zen. Bei PKW ist das in der Regel einfach nachzuvollziehen. Sie sind üblicherweise konkreten Personen zugeordnet, ein Fahrtenbuch ist Pflicht. Diensträder – egal ob elektrisch oder nicht – stehen hingegen meist mehreren Mitarbeitern zur Verfügung. Die Betriebsprüfer müssten also in jedem einzelnen Fall recherchieren, welcher Mitarbeiter sich das Dienstrad ausgeborgt hat, um ins Schwimmbad oder auch nur nach Hause zu fahren. Die Unternehmen, die bisher bedenkenlos und mit gutem Gewissen Diensträder verteilt haben, müssten von Fall zu Fall diskutieren, wer die Räder potenziell privat genutzt haben könnte – und wie viel Steuern dem Finanzamt dafür zustehen.
Die Regelung, so skurril sie auf den ersten Blick erscheinen mag, gebe es nicht ohne Grund, erzählen Beamte hinter vorgehaltener Hand. So mancher Firmenchef habe seinem Töchterlein ein teures E-Bike zukommen lassen. Auf Firmenkosten und steuerfrei als Dienstrad, versteht sich. Doch um diesen Missbrauch abzustellen, brauchte es kein neues Recht, meinen Steuerexperten. Derart verdeckte Gewinnausschüttungen seien schon heute voll steuerpflichtig. Die Regelung sei überschießend und unlogisch. Auch das Umweltargument zieht nicht mehr. Wenn Stromer steuerfrei sein sollen, muss das wohl für alle gelten – egal, ob zwei oder vier Räder. Und für die guten alten Drahtesel sowieso.